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hinausathmen. Und immer sieht sie die Welt nur von einer Seite, da Millionen andre da seyn müssen, die, sobald wir mehrere und andre Sinne hätten, sobald die enge Hütte unsers Körpers mit einer freyern Aussicht wechselte, auch vor uns, auch in uns lägen. Und wir wollten ewig zufrieden seyn mit diesem Winkel, mit diesem Kerker? Welcher Unglückliche, ders schon zeitlebens hier seyn muß, schränkte seine Wünsche dahin ein, nur seiner Bürde los zu werden, ohne Gefühl und Hofnung eines Ersatzes, daß er hier so zurückgehalten und getäuscht ward? Wenn wir hier, selbst an den seligsten Quellen der Freundschaft und Liebe, oft durstig und krank lechzen, suchen Vereinigung und finden sie nie, betteln Allmosen von allen Gegenständen der Erde, und sind immer arm, immer unbefriedigt, – finden endlich, daß alle Erdenzwecke und Erdenplane nichts sind – eitel! eitel! – fühlen das und fühlens täglich: welche edle freye Menschenseele hebt sich nicht empor, und verachtet ewige Hütten

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_328.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)