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zu Leben fließt, und immer geläutert, in allen Adern der Schöpfung umher getrieben, zu höherm, reinern Leben hinaufquillt – welch eine neue Stadt Gottes, welche Schöpfung in der Schöpfung würden wir gewahr werden! Von dem ersten Atom, dem unfruchtbarsten Staube, der kaum noch dem Nichts entrann, durch alle Arten der Organisation hinauf bis zum kleinen Universum von allerley Leben, dem Menschen, welch ein glänzendes Labyrinth! Aber der menschliche Verstand erblickts nicht, er siehet nur die Dinge von außen: er siehet Gestalten, nicht wandernde, sich emporarbeitende Seelen. Das innere Triebwerk der Natur, ihre lebendigen Räder und athmenden Kräfte – für zu großem Glanze ist es ihm αδης, das Reich der Nacht, die verschleyerte Hülle ungebohrner, ewig sich fortgebährender Leben.


Alas! our Sight’s so ill,
that things which swiftest move, seem to stand still.
[1]



  1. Aus dem Brutus des englischen Dichters Abr. Cowley (1618 - 1667). Herders Übersetzung: "Weh uns, dass wir so schwach und übel sehn,/Der schnellste Flug, uns scheint er still zu stehn."


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_309.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)