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stehen wir im Heer der Welten Gottes, im Abgrund seiner Unendlichkeit ringsum verlohren! –

     Und was sollte meinen Geist an dieß träge Staubkorn fesseln, sobald mein Leib, diese Hülle, herabsinkt? Alle Gesetze, die mich hier fest halten, gehen offenbar nur meinen Leib an: er ist aus dieser Erde gebildet, und er muß wieder zu dieser Erde werden. Gesetze der Bewegung, Druck der Atmosphäre, alles fesselt ihn, nur ihn hienieden. Der Geist, einmal entronnen, einmal der zarten und so festen Bande los, die ihn durch Sinne, Triebe, Neigungen, Pflicht und Gewohnheit an diesen kleinen Kreis der Sichtbarkeit knüpften: welche irrdische Macht könnte ihn festhalten? welch ein Naturgesetz ist entdeckt, das Seelen, in dieser engen Rennbahn sich umherzudrehen, zwänge? Sogar über die Schranken der Zeit ist der Geist weg: er verachtet Raum und die träge Erdenbewegung: entkörpert ist er sogleich an seinem Ort, in seinem Kreise, in dem neuen Staat, dazu er gehöret. Vielleicht ist dieser um uns, und wir kennen ihn nicht:

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_281.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)