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zwar ein wiederkommendes Schicksal? Es scheinet Gesetz der Natur zu seyn: warum wollte ihm allein der schwache und stolze Mensch widerstreben?

     Th. Freylich wäre er schwach und stolz, wenn er ihm als Baum, als Blume, als Tag wiederstrebte; aber er ist keins von Dreyen und auch diese Drey kommen nicht wieder. Der Baum steht eingewurzelt in der Erde, und hat er, wie ich nicht zweifle, ein Leben, so ists doch immer nur der erste Keim eines niedrigen Lebens. Dies muß er lange auswirken und lange auf seinem Ort stehn. Jedes Jahr ist ihm nur Ein Tag, der Frühling sein Morgen, sein Schlaf der Winter. Er muß ausdauren, viele Blätter, Blüthen und Früchte zeugen, die der Luft, den Thieren, dem Menschen, der ganzen höhern Schöpfung dienen. Nun wird er allmählich alt und stirbt: was jetzt um ihn hervorgrünt, ist nicht Er selbst, sondern seine Kinder. Wo seine Lebenskraft und sein Lebenshauch, in Duft, Blüthen, Blättern, Früchten hin sey? wissen wir, oder wir wissen es nicht;

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_271.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)