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Thäler der Unterirrdischen zu führen; in Flammen gereinigt stiegen sie selbst zum Himmel empor, und die Götter bewillkommten sie als ihre Söhne und Brüder. Im Himmel und auf der Erde siegprangten die Göttersöhne und Venus lächelte über ihren Apfel der Liebe.

     Aber wie bald gieng auch diese Scene vorüber! Die alten Götter wurden ihres Werkes müde, und allmählich fieng ihr Geist an unter den Sterblichen zu verhauchen. Die Abkömmlinge der Heroen waren zwar auf ihren Ursprung stolz; allein es war nur ein fremder, ererbter Vorzug, den sie jetzt zur Unterdrückung anderer Sterblichen misbrauchten. Träge floß das Götterblut in ihren Adern, und dafür schmückten sie sich mit Wappen und Ahnen. Schon wollte Jupiter der Pallas Vorwürfe machen, wie sehr ihre Weisheit sie dießmal bey solchem Puppenspiel betrogen; als sie, ohne sich über einen Rath zu rechtfertigen, den sie niemals gegeben hatte, stillschweigend zur Erde hinabstieg, und ihr Werk selbst vollbrachte.

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_233.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)