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immer neuen und schönen Wahrheit. – Du hingegen, Tonkunst, auch mir bist du mehr, als mir die Malerey seyn kann: denn wie du recht gesagt hast, bist du der harmonische Grund und die melodische Begleiterin aller, selbst der malerischen Schönheit. Du wirst mir aber zugeben, daß ohne meine Worte, ohne Gesang, Tanz und andere Handlung, für Menschen deine Empfindungen immer im Dunkeln bleiben. Du sprichst zum Herzen; aber bey wie wenigen zum Verstande! ja auch, wo du zum Herzen sprichst, wie oft ist seine Regung blos eigentlich sinnliche Empfindung! Giebts nicht auch Thiere, die sich nach gewissen Tönen oder Gängen von Tönen freuen oder betrüben? Ja als man den grausamen Versuch machte, lebendigen Geschöpfen das Gehirn zu öfnen, und durch gewisse Druckungen bey ihnen bald Schmerz, bald Freude erregte; mochten diese Empfindungen, auf eine grobe Weise bewirkt, etwas anders seyn, als was du auf eine unendliche feinere Weise bewirkest? Freylich

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_172.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)