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System, das allen Gattungen der handelnden und malenden Poesie wenig Stof geben könnte; sondern eine Reihe von Volkssagen, die durch Poesie und Kunst jedermann bekannt, mit allen Gegenständen der Natur und Gesellschaft verwebt und jeder neuen Wendung des Künstlers und Dichters fähig waren. Die Orphische Mythologie z. B. ist zu Hymnen vortreflich, in der Epopee und auf dem Theater, im Idyll oder Epigramm wäre sie unerträglich; da hingegen die Homerische, die Dichter- und Künstlerfabel alle schöne Gestalten annimmt, die ihr der Witz oder die Empfindung geben wollten. Was ist aus Amor und den Musen, aus Nymphen und Grazien nicht Alles gemacht worden! und wie nahe lag diese Mythologie dem gemeinen Leben, da beynah jeder Baum, jede Quelle, jede Gegend einem Gott oder einer Göttin verwandt war. Die Sagen von alten Verwandlungen kamen dazu und die Klagen der Piogne, der Philomele, die Stimme der Echo, die grünende Daphne, der flötende Pan ließen sich auch im Epigramm sehen und hören.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)