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jedes Thier genau nur in seinem Kreise, nach seinem Charakter; d)[1] nicht als Mensch, sondern nur Menschenähnlich. Die menschliche Seele ist gleichsam unter alle Thiercharaktere vertheilt, und die Fabel sucht diese vertheilte Vernunft nur hie und da zu einem Ganzen zu bilden. Ihr süßester Reiz ist eben diese treue Einfalt, diese Beurkundung aus kleinen Zügen der Natur und aus der ganzen Sphäre des thierischen Lebens. Je genauer der Esel so spricht, daß, wenn ihm wie Bileams Esel der Mund aufgethan würde, er nicht anders, als also sprechen könnte: desto wahrer und anmuthiger ist die Fabel. Daher jener unnachahmbare Reiz so vieler alten morgenländischen, griechischen und aller Nationen Fabeln, die im Stande der Natur den Thieren


  1. d) Leßing selbst schränkt durch diese Bestimmung seine eben angeführte Behauptung ein S. 208. 209. In Bodmers Untersuchung der Leßingschen Theorie S. 201. ist diese Einschränkung ausgelassen worden.
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_134.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)