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schaffen, sie aus dem Chaos der Naturgestalten zu sondern, ihre Wirkungsart zu bemerken und solche mit einem Namen, den ihr der anschauende Sinn gab, zu bezeichnen: so konnte es unmöglich fehlen, daß nicht bald auch die äsopische Fabel entstehen mußte. Der Mensch siehet nur, wie ein Mensch siehet; aus seiner Brust trägt er Empfindungen und Leidenschaften in andre Geschöpfe, aus seiner Vorstellungs- und Handlungsweise also auch Absichten und Handlungen zu ihnen hinüber; er siehet alles in seiner Person, nach seinem Maaße. Dies nannten Wir Dichtung; und wenn er diese Anschauungen nun so stellet und ordnet, daß er in ihnen einen Erfahrungssatz oder eine praktische Lehre für sich anerkennet und daraus absondert, so ist die äsopische Fabel gegeben. Mögen in ihr Götter, Thiere, Bäume oder Menschen handeln; gnug wenn die Anschauungskraft unsrer Seele sie als Handelnde wähnen und die Abstraction

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)