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sich selbst wohnen. Die Wünsche aber, die es in dieser ruhigen Einsamkeit erwärmend ausbrütet, werden um so gewissere, erfreulichere Boten der Zukunft. Alle wissen wir: „Eine Schwalbe führet den Sommer nicht herbei;“ aber es kommen mehrere Schwalben, die Nachtigall kommt – o kein Wunsch, keine Schaar von Wünschen verständiger, edler Gemüther war je ganz verlohren! Sie laden die Zukunft ein, sie zwingen sie sanft herbei, sie wallen ihr frölich entgegen. Es giebt gewisse edlere Seelen, die nur wünschen sollten; der Dämon der Zukunft steht unsichtbar da, ihre Wünsche in sein Buch einzuzeichnen und zu seiner Zeit zu gewähren. Was schadets, daß sie selbst sodann ihres erfüllten Wunsches nicht mitgenießen? sie genossen ihn wünschend; ihre schöne Seele ist im Buch des Genius mit eingezeichnet.

4. Hoffnungen sind meistens reich ausstaffirte Bräute der Zukunft; die Braut selbst aber legt gern ihren entbehrlichen Schmuck ab und ist

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)