Seite:Zeitung für die elegante Welt 1818 Quandt.djvu/5

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Ueber die diesjährige Kunstausstellung zu Dresden. (Fortsetzung)

Der alte würdige Professor Klengel hatte uns nicht nur mir mehrern freundlichen Bildern in seinem Fache der Kunst erfreut, sondern uns auch durch ein Bild einer andern Art angenehm überrascht Es war eine Dorfschule. Das Helldunkel, welches in einer großen, von wenig Fenstern erhellten Stube und von Dünsten gemischten Luft herrscht, war dem Maler meisterhaft gelungen. Die Stellungen der Kinder sind ausdrucksvoll und äußerst naiv. Das Kinderleben ist mit so viel Sinn aufgefaßt, daß wir uns bei’m Anblick dieser Darstellung in jenen Kreis versetzt fühlen, wo eine kleine Noth und kleine Freuden das ganze Leben noch ausfüllen. Hart am Ofen ist die Strafbank, und dort am Fenster die hohe Schulbank voll fleißiger Kinder. An einer Tonne steht ein Knabe und schwitzt über einem schwierigen Rechenexempel, und kleinere Kinder spielen zu den Füßen der Frau Schulmeisterin, deren Spinnrad zu dem lauten Lesechor schnurrt.

Solche Idyllen lassen wir uns gefallen, und solche Scenen aus dem Landleben mit Sinn für Natürlichkeit und Einfachheit der Sitten, mit Beobachtungsgabe aufgefaßt, und einer Kunstfertigkeit, wie die Niederländer sie besaßen, dargestellt, werden den Kunstfreunden immer Freude machen. Auch dieses kleine Bild, voll Geist und Wahrheit, ist ein Beleg des durch die Poesie allgemein verbreiteten bessern Geschmacks. Wenn französische und deutsche Dichter vormals, im Gefühl der verlornen Unschuld, einer Schäferwelt bedurften, um den reinen Naturzustand der Menschheit, für welchen sie kein Maß und Vorbild in sich fanden, zu schildern, und den Schauplatz weit, weit nach Arcadien verlegten, diese Schäfer und Schäferinnen einfältig, statt unschuldig, geziert, statt natürlich, überreizt, überfeinert und matt, statt gefühlvoll, seelenvoll, kräftig sprechen und handeln ließen, so stellen uns die Maler in ihren idyllischen Bildern lächerlich gezierte und geschmacklos ausgeputzte Menschen vor die Augen, an welchen wir mit Mühe die reine Naturform wieder erkennen können. Engherzigkeit war in der Idylle und die Schnürbrust in ländlichen Gemälde zu Hause. Wateau fühlte die Verkehrtheit seines Zeitalters und persiflirte durch seine Gemälde den herrschenden Geschmack; lächerlich aber genug war es, daß kein Mensch den Spott merkte, sondern Jedermann Spaß für Ernst nahm. Andere, wie z. B. van der Werf und Boucher, verwechselten Liederlichkeit mit Naturunschuld, und in den niederländischen Bauerstücken ist zwar eine bewundernswürdige Wahrheit zu finden, welche uns aber nur Rohheit für Natur gibt. Den Conversationsstücken fehlte es gewöhnlich so sehr an Leben, daß die innere und zartere Seite des Menschen nicht hervortreten konnte. Deutschen Dichtern gelang es, das rein Menschliche in einfachen, ja beschränkten Lebensverhältnissen mit einer liebenswürdigen Sittenreinheit zu schildern. Das gleiche hat hier Klengel, als Maler, gethan, und wir wünschen nicht nur ihm einen glücklichen Erfolg, sondern auch sinnvolle Nachfolger.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottlob von Quandt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung zu Dresden. Leopold Voß, Leipzig 1818, Seite 1917,1918. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitung_f%C3%BCr_die_elegante_Welt_1818_Quandt.djvu/5&oldid=- (Version vom 9.11.2024)