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koninge ne mut niman wederstan, he ne vorwerke denne dat rike.

Den letzten Worten der Glosse mehr als dem Texte des Rechtsbuches selbst entspricht auch das ebenfalls von Homeyer angeführte Bild, auf dem ein König dargestellt ist, dem jemand die Krone vom Haupte nimmt. Unter den Neueren deutet unsere Stelle auf ein Recht des Widerstandes gegen Unrecht des Königs oder des Richters kein Geringerer als Homeyer selbst, wie es wenigstens den Anschein hat.[1] Doch sehen wir, ob mit Recht!

Würde sich ein solches Widerstandsrecht gegen den Unrecht begehenden König, um hier zunächst nur diesen auffälligsten Punkt ins Auge zu fassen, in das Bild einfügen lassen, das der Sachsenspiegel von dem Recht des Königs entwirft? Ich glaube: Nein! Zwar steht Eike von Repgow nicht auf dem Standpunkt, daß der König kein Unrecht tun könne, im Gegenteil rechnet er sogar mit dem Falle, daß dem Könige infolge von Übeltaten die Krone und das Leben abgeurteilt werden könne, Ldr. III, 54 § 4. Wie aber niemand wegen begangenen Unrechtes zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden kann ohne Gericht und Urteil, so kann auch der König nicht bestraft werden

  1. Dagegen findet sich diese Auffassung abgelehnt bei J. W. Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter I, Braunschweig 1879, S. 112: „Ist gleich der Richter der alleinige Träger der Gerichtsgewalt, so ist doch gegen den Mißbrauch derselben schon durch die bisher beschriebenen Einrichtungen … thunlichst vorgebeugt. Allein die Fürsorge der Rechtsordnung geht noch weiter. Sie erlaubt nicht nur den passiven Widerstand der Dingpflichtigen gegen den Recht weigernden Richter (Zitate), sie gestattet sogar einen activen Widerstand gegen den Richter, der offenbares Unrecht zu begehen im Begriff ist, wenigstens zufolge der Auslegung der Glosse, der lateinischen Übersetzung und der bildlichen Erläuterung. Der wahre Sinn der Stelle Die man mut ok wol sime koninge … unde ne dut dar an weder sine trüwe nicht, SLdr III, 78 § 2 ist indeß nach dem Wortlaut und nach dem Zusammenhang nur der: es sei kein Treubruch, wenn der Mann seinem Könige und seinem Richter behülflich sei, dem Unrecht zu widerstehn und zu wehren, was sein Herr oder Verwandter zu begehen im Begriff sei.“ Planck zitiert hierzu Homeyer Ssp. II, 2 S. 373, wo sich allerdings diese Auffassung schon im Jahre 1844 findet, während Homeyer im Register zur 3. Auflage des Landrechts (1861) zu der ältern entgegengesetzten Auffassung zurückgekehrt zu sein scheint.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Das vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im Sachsenspiegel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1914, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_35_070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)