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sowie über die Verhandlungen vor der Wahl Günthers von Schwarzburg bringt[1].

Auf demselben Standpunkte ist auch die goldene Bulle. Sie erkennt zum erstenmale ex professo die Geltung des Majoritätsprincips bei der Königswahl im Sinne des fremden Rechtes reichsgesetzlich an; aber sie steht in dieser Hinsicht ganz unter dem Banne der vorangegangenen Entwicklung, indem sie an jener publicistischen Fiction festhält und die mit Stimmenmehrheit vollzogene Wahl so aufzufassen anordnet, als ob sie von allen einmüthig und einstimmig vollzogen worden wäre[2]. Dabei trifft sie noch die weitere Erleichterung, dass ein Kurfürst, der drei fremde Stimmen bereits erhalten hat, nunmehr sich selbst wählen und so zu seinen Gunsten die Entscheidung geben kann.

Während man aber wenigstens in den beiden Appellationen König Ludwigs zur Giltigkeit der Wahl Stimmenmehrheit innerhalb der Kurfürsten überhaupt verlangte, handelt es sich in der goldenen Bulle, wie seit jeher bei kirchlichen Wahlen, lediglich um die Majorität unter den im einzelnen Falle giltig abgegebenen Stimmen[3]. Die an der giltigen Ausübung des Stimmrechtes dauernd oder vorübergehend behinderten, ebenso wie die trotz gehöriger Ladung ausbleibenden Kurfürsten wurden bei dieser Zählung nicht berücksichtigt[4]. Die goldene Bulle[5] konnte

  1. Ebend. S. 267: maiorque pars principum qui similiter per sententiam declarati fuerint ius habere, ipsum absque omni symonia elegerint.
  2. Postquam autem in eodem loco ipsi vel pars eorum maior numero elegerit, talis electio perinde haberi et reputari debebit, ac si foret ab ipsis omnibus nomine discrepante concorditer celebrata.
  3. Die Auffassung der goldenen Bulle erhellt aus folgendem Satze: postquam autem in eodem loco ipsi vel pars eorum maior numero elegerit. Unter diesen „ipsi“ sind die „electores seu nuntii“ verstanden, die nach cap. 1 das Wahlrecht haben. Die vom Wahlrecht Ausgeschlossenen und daher auch die unvertreten Ausgebliebenen wurden nicht mitgezählt. Auch an anderer Stelle spricht die goldene Bulle immer nur von den in Frankfurt anwesenden oder vertretenen Kurfürsten.
  4. Vgl. oben S. 185.
  5. Zwiespältige Wahlen auszuschliessen, darin lag eine der Hauptaufgaben der goldenen Bulle. Dies bedeuten die Worte: ad electionem unanimem inducendam ac detestande divisioni … praecludendum (Einleitung zur goldenen Bulle). Diese „electio unanimis“ konnte aber auch eine Majoritätswahl sein. Vgl. Harnack a. a. O. S. 147 Note 3.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_206.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)