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in einer bis dahin noch nie verlautbarten Weise zu bestimmen. Als nämlich Ludwig ihn nach der glücklichen Schlacht wahrscheinlich aufs Neue um die Anerkennung als König und um die Kaiserkrönung bat, da vertrat der Papst jetzt entgegen allem bisherigen Reichsrechte den Standpunkt, beide Fürsten seien zwar erwählt, aber keiner sei König; das Reich sei daher als erledigt zu betrachten. Gleichzeitig beanspruchte er für die Zeit bis zur Anerkennung des neuen Königs die Regierung nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland[1].

Gegenüber diesen Angriffen auf das bestehende Herkommen musste Ludwig entschiedene Verwahrung einlegen. Er brachte denn auch zunächst in der Nürnberger[2], sodann in der Sachsenhauser Appellation[3] die in Deutschland seit alter Zeit für die Königswahl geltenden Normen zur Sprache, jedoch nicht ohne einige Neuerungen, mit denen er sich der im fremden Rechte herrschenden Auffassung über die Bedeutung des Majoritätsprincips näherte. Ludwig hatte nämlich für sich die Stimmen von Mainz und Trier, jene des rechtmässigen Königs von Böhmen, die brandenburgische Stimme und von den sächsischen jene von Sachsen-Lauenburg. Dagegen standen auf Seiten Friedrichs der Erzbischof von Cöln und der Pfalzgraf bei Rhein, dann Heinrich vormals König von Böhmen und Sachsen-Wittenberg. Da die Stimmen von Sachsen auf beide Fürsten vertheilt, über die Rechtmässigkeit des Kurrechtes zwischen beiden Linien aber noch nicht entschieden war, die Stimme Heinrichs von Böhmen aber völlig ungiltig war, so besass Friedrich innerhalb des ganzen Collegiums nur 2, Ludwig 4 giltige Stimmen; demnach stand auf Seiten Ludwigs die absolute, und wenn man die beiden sächsischen Stimmen bei Seite lässt, sogar die eminente Majorität[4]. Auf diese berief sich Ludwig denn auch dem

  1. Riezler, Die litterarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwig des Bayern, S. 17. Interessant ist der Vergleich zwischen dem Wortlaute des sog. ersten Processes gegen den Wittelsbacher (8. Octbr. 1323) und der Bulle vom 31. März 1317.
  2. Urk. 1323, Decbr. 16, Nürnberg, bei Ohlenschlager, Staatengeschichte. Anhang S. 84 ff.
  3. Urk. 1324, Mai 22, Sachsenhausen, ebenda S. 117. Ueber die Datirung vgl. Müller a. a. O. Bd. I. 358.
  4. So in der Sachsenhauser
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_201.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)