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sich auf eine Persönlichkeit geeinigt hatte, zur Folge rechtlich gebunden erachtete, darüber können wir den Quellen nichts entnehmen. Bei den vielfachen Sonderinteressen der Kurfürsten war dieses Gefühl gewiss kein zu ausgeprägtes, und so dauerte es oft recht lange, bis man eine von Allen gebilligte Persönlichkeit ausfindig machte. War aber dies einmal erreicht, dann war die Wahl von selbst eine einhellige, und so verstehen wir auch, warum uns alle Wahldecrete und dies auch die über die zwiespältige Wahl von 1314 ausgefertigten, die Wahl jeweils als einmüthige und einstimmige hinstellen. Eine Doppelwahl konnte auch in dieser Zeit nur aus getrennten Versammlungen hervorgehen.

Sind wir so in der Lage, für die deutschen Königswahlen bis einschliesslich auf die Doppelwahl von 1314 den Nachweis zu erbringen, dass eine Einwirkung des von der romanistischen und canonistischen Doctrin entwickelten Majoritätsprincips noch nicht stattgefunden hat, so haben wir demgegenüber ins Auge zu fassen, dass diese dem fremden Rechte angehörenden Principien denn doch seit den Tagen Rudolfs I. wenigstens in gewissen Fragen der Reichsverwaltung eine Rolle gespielt haben. So wurde insbesondere in dem Reichsurtheil von 1281, betreffend die Verfügungen über Reichsgut, wozu bekanntlich seit 1273 der Consens der Kurfürsten nöthig war, ausdrücklich erklärt, es besässen nur jene Verfügungen über solches Gut Giltigkeit, denen mindestens die Mehrheit der Kurfürsten zugestimmt hätte[1]. Daher erwähnt Rudolf ausdrücklich in einer Urkunde, dass er den Grafen von Flandern mit verschiedenen Reichsgütern mit Zustimmung der Mehrheit der Kurfürsten belehnt habe[2]. Derselbe König schenkt Patronatsrechte an die Kirche von Basel „de consensu maioris partis principum, quorum consensus in hoc fuerat requirendus“[3].

In einer Urkunde Rudolfs I. wird – freilich nicht ex professo, sondern nur nebenher – bereits von der Möglichkeit

  1. Urk. vom 2. August 1281, Nürnberg, bei Altmann und Bernheim a. a. O. S. 28. Vgl. Schröder, RG. 3. Aufl. S. 473 Note 40.
  2. Urk. 1287, März 27, Würzburg, bei Winkelmann, Acta imperii inedita. Bd. II. S. 123.
  3. Urk. vom 10. Octbr. 1285, bei Schöpflin, Alsatia diplomatica Bd. II. S. 34.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_198.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)