Seite:Zeitschrift fuer Rechtsgeschichte Germ. Abt. Bd 20 196.JPG

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gewählt würde, ihre Stimmen demjenigen zuzuwenden, zu dessen Gunsten sie dies einhellig oder nach Stimmenmehr beschliessen sollten[1]. Einige Tage später wurde noch Trier gewonnen und am 11. September 1273 schlossen die vier rheinischen Kurfürsten einen Vertrag dahingehend, dass sie bei der bevorstehenden Wahl eines Sinnes sein wollen. Falls insbesondere drei von ihnen einem Candidaten ihre Stimmen geben, dann solle auch der vierte ihnen beitreten[2]. Auf Grund dieses Vertrages, bei dessen Abschluss den Contrahenten die germanische Majoritätsidee vorschwebte, gingen die vier rheinischen Kurfürsten einmüthig bei der Wahl vor; sie gewannen auch noch Brandenburg und Sachsen, und der Einspruch, den Böhmens Vertreter erhob, wurde mit Entschiedenheit zurückgewiesen und gar nicht weiter berücksichtigt. Um aber die schon feststehende Siebenzahl der Kurfürsten aufrecht zu erhalten, wurden die Gesandten des Herzogs von Bayern wohl auf Grund vorhergegangener Abmachungen zur Wahlhandlung zugelassen, Böhmens Gesandter aber davon ausgeschlossen. So und nur auf diese Weise, also durch einen politischen Gewaltact, kam eine einmüthige Wahl zu Stande. Denn die Kurfürsten wussten zu gut, dass Böhmens Gesandter die Instruction hatte, die Wahl Ottokars durchzusetzen, sonst aber jede Wahl zu vereiteln[3], und dass von einer Folgeleistung Ottokars gegenüber einem Majoritätsbeschluss gar keine Bede sein konnte.

Bietet dieser ganze Vorgang den besten Beweis dafür, dass man nicht etwa den Willen der sanior pars als Willen

  1. Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, Bd. V. S. 268: „vota in alium unanimiter, vel quo maior inter nos numerus declinaverit, convertemus“. Beachtenswerth ist der Unterschied zwischen „declinare“ und „vota convertere“. Wenn die Mehrheit eine Person bestimmt, dann wollen sie alle auf dieselbe ihre Stimmen vereinigen. Vgl. oben S. 188 Note 2.
  2. Ebenda Bd. V. S. 268: „quod in electione R. r. sine captione qualibet erimus unanimes et concordes, ita tamen quod quemcunque tres ex nobis concordaverint, quartus sine contradictione qualibet sequetur eosdem.“
  3. Vgl. darüber Weiland im 20. Bande der Forschungen zur deutschen Geschichte S. 310 ff. und Redlich a. a. O. Dazu auch die Urkunde vom 15. Mai 1275 über das bayerische Kurrecht in Quellen und Erörterungen, Bd. V. S. 278, bezüglich deren Auslegung ich mich Redlich anschliesse.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_196.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)