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ja nicht, und hierin bedürfen Bresslau’s Untersuchungen noch einer Ergänzung, ob erst die Kurfürsten vor der Wahl von 1257 einen förmlichen Beschluss fassten, von jetzt ab nach kirchlichem Muster zu wählen[1]. Wir kennen eben viel zu wenig den Vorgang bei den früheren Wahlen namentlich von 1246 und 1247, die aus Theilversammlungen ganz unter kirchlichem Einflusse hervorgegangen sind. Es wäre immerhin denkbar, dass da, wo die Kirchenfürsten die erste Rolle spielten, eine Beeinflussung durch die kirchlichen Wahleinrichtungen bereits angebahnt und dann weiter fortgebildet wurde[2]. Aber selbst davon abgesehen, hätten ja die Bürger von Pisa an der Papstwahl und an den zahlreichen Bischofs-, Capitels- und Klosterwahlen, die in jener Zeit auch in Italien alle in dieser Form vollzogen wurden, das beste Beispiel gehabt.

Der Anschluss an das kirchliche Wahlwesen war bis zu einem gewissen Grade ein beabsichtigter. Er ergab sich aus den Beziehungen des Papstes zu den deutschen Fürsten in der Frage nach der Einsetzung des deutschen Königs.

  1. Bresslau constatirt nur, dass seit 1257 die mehrerwähnte Aenderung in den Formen der Königswahl nachweisbar sei. Die vorhergegangenen Wahlen berücksichtigt er nicht weiter. Dass Verabredungen über die Art der Vornahme der Königswahl im Jahre 1257 wenigstens unter einem Theile der Kurfürsten stattgefunden haben, wird man nicht leugnen können. Lindner selbst gibt ja zu, dass der Pfalzgraf bei Rhein Verhandlungen mit andern Fürsten namentlich mit Böhmen pflog, über die wir aber keinen Bescheid wissen. Auch die dem Papste vorgelegte Rechtsbelehrung, die mangels Aufzeichnungen über den Wahlvorgang auf ein von Richard aufgenommenes Weisthum zurückgehen dürfte, führt einige Punkte an, die ganz neues Recht enthalten, was freilich nicht hinderte, dass man das Ganze, wie dies bei Rechtsweisungen der Fall war, als uraltes Gewohnheitsrecht hinstellte. Vgl. dazu auch das Weisthum von Rense aus dem Jahre 1338. Auch dort wird, die Majoritätswahl als uraltes Herkommen bezeichnet.
  2. Bei der Designation Conrads 1237 werden uns im Wahldecrete 11 Wähler genannt; es sind dies durchwegs Fürsten, die dem Sachsenspiegel gemäß den König „erwelen“. Dagegen gibt uns die Stelle der Marbacher Annale (MG. SS. Bd. XVII. S. 178 Z. 28–32) über die Kur Aufschluss. Eine Electio per unum lässt sich für diese Wahl nicht nachweisen, und da ich auch dem Elector der Decretale „Venerabilem“ eine andere Deutung gebe (oben S. 170 N. 4), so wäre frühestens 1246 das Eindringen der kirchlichen Form anzunehmen.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_174.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)