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per unum auch im Falle einer Compromisswahl vorzunehmen sei[1].

Denselben Inhalt hat auch die Electio, die seit 1257 bei der deutschen Königswahl nachweisbar ist. Auch hier wählt der einzelne Kurfürst, der an und für sich wahlberechtigt ist, nicht selbst, sondern er nennt bei der Abstimmung nur die zu wählende Person (vota dirigere, nominare in R. r. eligendum); auch hier übertragen die Wähler ihr Wahlrecht auf einen aus ihrer Mitte, der dann die Wahl vorzunehmen hat, und wie dort approbiren sie darnach die vom Elector geschehene Wahl[2]. Zieht man dabei in Betracht, dass die Wahlen, soweit Nachrichten vorhanden sind, in früherer Zeit, insbesondere auch noch nach dem Sachsenspiegel in ganz anderer Weise vor sich gegangen sind, so wird man immer wieder zu dem Ergebnisse kommen, dass wir es hier nicht mit von einander unabhängigen Vorgängen zu thun haben, sondern dass die Einrichtung der Electio in der Gestalt, wie sie uns 1257 zum erstenmale bei den deutschen Königswahlen begegnet, der Form und dem Wesen nach den kirchlichen Wahlen, wo wir dieselben in viel frühere Zeit zurück verfolgen können, nachgebildet wurde[3].

Unvereinbar hiemit scheint Lindner die Thatsache zu sein, dass die Bürger von Pisa 1256, somit bereits ein Jahr vorher Alfons von Castilien mit einer Formel zum Könige erwählten, die alle Merkmale der deutschen Wahlformel enthielt[4]. Ich vermag darin aber nicht eine unbedingte Widerlegung der Annahme von Bresslau zu finden[5]. Freilich sind die Bürger von Pisa darin den Kurfürsten, die erst 1257 zur Wahl schritten, zuvorgekommen. Aber wir wissen

  1. c. 21 in VI°. I. 6. Vgl. dazu AV. Bd. I. Nr. 765 (1308).
  2. Die Belege bei Bresslau a. a. O. S. 123 ff.
  3. Lindner sieht in der Electio die Fortdauer des alten Brauches, die Wahl durch Einen feierlich zu verkündigen. Die Billigung durch die übrigen Kurfürsten fasste er früher als Rest der alten Laudatio auf, ist aber jetzt darüber im Zweifel, „ob sie nicht lediglich aus dem kirchlichen Formular herübergeschleppt ist“. Da ich in der Auffassung über die Vorgänge bei den Königswahlen vor 1257 mit Lindner nicht übereinstimme (oben S. 166 A. 1), so brauche ich wohl auf diese Seite seiner Theorie hier nicht näher einzugehen.
  4. MG. Constitutiones. II. Bd. S. 491.
  5. Hergang S. 6.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_173.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)