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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV

verstorbener gott erbitten könne, daß er einen lebenden bald nachkommen lasse, findet sich in jener gegend öfter. man nennt das ‚anbraweln,‘ und ruft demjenigen, der unehrerbietig von einem todten spricht, warnend zu ‚nüm dek in acht, hei könne dek anbraweln [1].‘ Harenberg [2] giebt an, daß in Ackenhausen bei Gandersheim zwei bauern sich um ein gehölz stritten. als der eine starb war ihm bange, daß er aus rache von dem andern werde nachgezogen werden, er machte sich deshalb bei zeiten an den leichnam des verstorbenen und pflöckte ihm durch die zunge einen länglich runden stock in den mund. als ein kind, welches zufällig den hergang mit angesehen hatte, davon anzeige machte, berief er sich auf die allgemeine gewohnheit der dorfleute.

Herzog Abel von Schleswig hatte seinen bruder könig Erich ermorden lassen. bald darauf wurde er selbst erschlagen und seine leiche im dome zu St. Peter beigesetzt. seit der zeit wurden die geistlichen durch furchtbaren lärm und gräuliche erscheinungen im gottesdienst gestört, bis man die leiche ausgraben und in einem sumpf des Pölerwaldes versenken ließ. durch den sarg wurde ein pfahl geschlagen [3].

Auch skandinavische beispiele liegen vor. Asvit und Asmund sind zwei zärtliche freunde. Asvit stirbt an einer krankheit und wird in einen hügel sammt roß und hund bestattet. der treue Asmund folgt ihm lebend ins grab, wohinein er sich speise hat tragen lassen. aber nächtlich lebt der todte auf und zerfleischt ihn. vorübergehende krieger öffnen den grabhügel, finden, daß Asmund bereits in wiederholtem nächtlichem kampfe das linke ohr veloren hat. sie halten ihn für ein gespenst, fliehen entsetzt. er ruft sie an:

Quid stupetis, qui relictum me colore cernitis?
obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos.


  1. Schambach und Müller a. a. o. s. 364, 236, 2.
  2. Vernünftige und christliche gedanken über die vampyrs. Wolfenbüttel 1733 p. 26.
  3. Müllenhoff, schleswigholst. sag. s. 362.
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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/280&oldid=- (Version vom 1.8.2018)