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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV

den verstorbenen, mit welchen sie im leben im verkehr standen, ein leid zu, heften sich an sie; nehmen ihnen durch aussaugung des herzbluts das leben und erhalten sich so das ihrige. ihre opfer werden gleichfalls in vampyre verwandelt. bewegt sich nur im geringsten die erddecke auf dem grabe eines verstorbenen, der im verdacht steht ein vampyr zu sein, so ist auch schon der argwohn zur gewißheit geworden und es bleibt kein anderes mittel zur rettung der seelen, als daß die leiche ausgegraben und durch den spruch der geistlichen vom banne entlastet werde. dies verlangt nicht allein die prieserschaft des ortes von den angehörigen des verstorbenen, sondern auch alle ortsbewohner dringen ausdrücklich darauf zur sicherung ihres zeitlichen und ewigen heiles. die ausgegrabene leiche wird, wenn sie unverwest ist, an der kirchhofsmauer aufgestellt, indeß der priester die beschwörungsformel spricht. stürzt der körper während der feierlichkeit zusammen, so ist dies ein zeichen, daß der lastende kirchenbann von schwerer gattung ist und nur durch die höhere geistlichkeit gehoben werden kann. die angehörigen beginnen dann ob des fluches, der auf dem unglücklichen liegt, jämmerlich zu heulen und wehzuklagen und sind nicht eher getröstet, als bis durch einen vornehmen geistlichen der fluch fortgenommen ist [1].

Bei den Walachen im Banat heißt ein solcher vampyr murony. er ist der unechte sproß zweier unehelich gezeugter oder auch der unselige geist eines vom vampyr getödteten. über tag liegt er im grabe, des nachts aber geht er fliegend seiner lust nach und saugt lebenden das blut aus. er ist unsterblich und kann nur dadurch vernichtet werden, daß man seine leiche, die an ihrer verkehrten lage mit dem gesicht nach unten und an ihrem blähenden aussehen erkannt wird, ausgräbt und ihr einen nagel durch die stirne oder einen hölzernen pfahl durch das herz treibt, oder auch sie verbrennt. da das volk noch überdies der meinung ist, der vampyr könne sich in


  1. Didascalia 1841, Nov. 25.
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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/274&oldid=- (Version vom 1.8.2018)