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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV

der schlechte Venetianer ists, der einst Marien hat verführt,
Marien in die schmach gebracht, die häuser uns verbrannt.
die kugel schlug ihm in die brust, der dolch fuhr ihm durchs herz.

schon liegt er seit 3 tagen da, warm fließt sein blut und roth.
wohl ist sein blaues auge starr, doch blickts zum himmel auf,
und weh dem der vorübergeht, weh dem, trifft ihn der blick!
seht ihr, wie ihm der bart noch wuchs, wie lang, wie lang die nägel sind?

die raben selbst sehen’s scheu und flattern schreckhaft auf.
ihn rührt kein rabenschnabel an, doch alle leichen rings.
seht an, wie ist sein mund so roth! er lächelt wie ein mann,
der eingelullt in einen traum von schaudervoller liebe ist.
komm her Marie, sieh an den mann, um den verrathen du
dein hoch geschlecht, dein vaterland, das ist, das ist dein mann!

o küsse doch den blutgen mund, zu lügen wußt’ er gut,
er macht der thränen fließen viel, so lang er lebend war,
er macht der thränen fließen mehr, nun er nicht lebend mehr [1].

Die Ukosken oder Walachen in Krain werfen ein wenig erde auf den todten körper und einen ziemlich schweren stein auf den kopf damit der verstorbene nicht wiederkehre und im hause umgehe [2]. in der Moldau behauptet das volk, daß solche menschen, die im öffentlichen oder geheimen kirchenbann starben, vom bösen geist drakul gewissermaßen am leben erhalten würden, daß man sie im grabe vernehmlich kauen höre, daß sie unverweslich bleiben und ihre seele sich nicht eher vom körper trennen könne, als bis der bann durch den geistlichen förmlich aufgehoben sei. dieser glaube ist mit dem andern innig verknüpft, daß die leichen, was sie von ihrem leibe erlangen können an sich ziehen und benagen. sie verwesen nicht, sondern steigen zur nachtzeit aus den gräbern hervor und fügen


  1. Aus Choix de poésies Illyriques recueillis dans la Dalmatie, la Bosnie, la Croatie et l’Herzegowine. Paris, F. G. Levraul Berliner Revue 1857. X, 32. der zuletzt genannte aufsatz ‚der vampyrglaube‘ ist übrigens sehr oberflächlich und fehlerhaft.
  2. Valvassor a. a. o. t. II, I. VI. cap. IV, p. 295.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/273&oldid=- (Version vom 1.8.2018)