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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV

kam mit mohnkörnern. wollte er wiederkommen, so müßte er zuvor die mohnkörner auflesen, und weil er dieses nicht kann, wird er ewig ferngehalten[1]. in anderen gegenden Rußlands heißt der vampyr, wie schon Hanush im seinem aufsatze erwähnt, upyr, wpyr. er gilt als ein verstorbener zauberer, der den menschen nachts das blut aussaugt. man erkennt ihn im leben daran, daß ihm der nasenknochen fehlt oder die unterlippe gespalten ist. zum Upyr kann auch jeder verstorbene werden, in dessen leiche der teufel sich einschleicht oder über dessen grab eine katze läuft. um den unhold unschädlich zu machen, muß man ihn ausgraben und in seinem sarge mit einem holzstück durchbohren.

Aus Polen ist mir bis jetzt weniges über die vampyre bekannt. Sam. Friedr. Lauterbach[2] bezeugt mehrfache ausgrabungen, u. a. zu Frauenstadt. der Jesuit Gabriel Rzazcynsci soll in seiner mir nicht zu gesicht gekommenen ‚historia naturalis curiosa regni Poloniae, Sandomiriae 1721. sect. II. p. 366, mehreres dahingehörige angegeben haben ‚de cruentationibus cadaverum in specie agens, mira profert de mortuis in tumulis adhuc voracibus et vicinos viventes in spectrorum modum trucidantibus, a Polonis speciali nomine Upiers et upierzyca appellatis, de quibus quae producit authentica documenta ulteriorem fortasse disquisitionem merentur‘[3] – ‚im jahre 1572 grassirte in Polen die pest. es ward der verblichene leichnam einer weibesperson aus dem dorfe Rhezur hinausgetragen und in der vorstadt zu Lemberg an die kirche der erhöhung des kreuzes begraben. bald darauf fing die pest an in denen benachbarten häusern zu wüthen. diejenigen, so es anging, muthmaßten, es müsse dieses weib eine hexe gewesen sein. es ward der körper wieder ausgegraben und nackend befunden. jedweder schloß daraus, sie müsse ihre kleider gefressen haben. sie stoßen ihr daher das haupt mit einer


  1. Schmaler jahrbücher f. slavische literatur. 1856. III. s. 219.
  2. Pestchronik 1710. s. 26.
  3. Acta eruditt. lat. a. 1722. mens. Jan. p. 17.
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Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/269&oldid=- (Version vom 1.8.2018)