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überhaupt unbekannt waren, von mir zuerst in meinen Vorträgen in der Berliner anthropologischen Gesellschaft in den Jahren 1877 und 1878 derselben überwiesen sind (wie gleichzeitig die Namen einer Anzahl von wendischen mythologischen Gestalten, Dämonen und Unholdinnen, welche von mir zuerst gefunden waren).

Der Unterzeichnete erlaubt sich deshalb diese Bemerkung, weil die berührte Thatsache den Beweis liefert, wie ausgiebig ein einziges Dorf an Überlieferungen zu sein vermag, sodann welche wichtigen Ergebnisse eingehende Nachforschungen bieten, wie solches nach seiner Ansicht die Drachenbäume erweisen mit der an ihnen haftenden Sage, die Sage von der Beschützerin der Kühe, dem Johannisopfer mit den sprechenden Fischen, dem Verschwören am Hexentopfe, der Klage – und ich denke wohl auch die Fassung der Pumputüberlieferung – sowie solche Nummern von dem Aberglauben wie die Purken, der Sonnenschuss, der Donner, welcher die Steine in der Erde emporsteigen lässt, und manche andere.

Mögen diejenigen von den jüngeren Forschern, welche ihre Neigung der Sammlung von Volksüberlieferungen zugewandt haben, daraus ersehen, dass noch heute in jedem deutschen Dorfe für die Wissenschaft der Volkskunde gar vieles zu gewinnen ist, aber auch zu der Überzeugung gelangen, dass ein angehender Sammler nirgends sich besser schulen lernt als in seiner Heimat, wo er mit allen Verhältnissen auf das genaueste vertraut ist; so hat der Unterzeichnete zuerst die Überlieferungen und Bräuche seines Heimatdorfes gesammelt, – veröffentlicht erst jetzt – um dann bei den Wenden, darauf aber bei den Žamaiten in Russland seine Erfahrungen in bezug auf das Sammeln von Volksüberlieferungen zu verwerten.

Im übrigen kann von einer Volkskunde, welche sich auf die Bräuche und Überlieferungen des Volkes gründet, in unserem deutschen Vaterlande erst dann geredet werden, wenn das Durchstreifen einer Gegend und zufällige Auffinden der Sagen vermieden, nach fester Ordnung eingehende zielbewusste Nachforschung in jedem Bezirk, in jedem Dorf angestellt wird.

Edmund Veckenstedt.     
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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_387.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)