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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang
Frau Adler sen., Rose, Fr. Adler, Anna Veckenstedt: Sagen aus der Provinz Sachsen II

einer grossen Schüssel hantiert wurde, dann trat die Frau an den Herd und rief den Schornstein hinauf:

„Dråk, kelkse.“

Da antwortete eine Stimme von oben den Schornstein herunter:

„Hä kickt.“

Darauf rief die Bäuerin wieder nach oben hinauf:

„Dråk, kelkse.“

Aber der Drache rief wieder von oben herunter:

„Hä kickt.“

Da wurde die Frau ärgerlich und rief scheltend hinauf: „Ach watt, et is jo keener hier; wat Du man wilt. Et sind jo alle nå de Kirche. Maak fix un kelkse. Die Kirche is balle ut, wenn se kåmen, denn willen se ok äten, un ick häbbe keen Fier. Kelkse man, die Schettel steiht unnen.“

Alsobald kamen die Klump- und Speckstücke den Schornstein nur immer so herunter gepoltert in die Schüssel hinein, wie der Knecht an der Art des Geräusches und an dem Geruch merkte, welcher bis zu ihm unter die Tonne drang.

Endlich rief die Bäuerin:

„Et ist guet, de Schettel is vull.“

Darauf wurde alles still und die Bäuerin ging mit ihrer Schüssel fort.

Der Knecht kroch alsobald unter seinem Fass hervor und schlüpfte in den Stall. Als die Kirche aus war, machte er sich auf dem Hof zu schaffen und that so, als ob er eben aus der Kirche gekommen sei. Dann rief ihn die Magd zum Essen.

Richtig stand die Schüssel mit Klump und Speck auf dem Tisch. So schön das Essen nun auch aussah und roch, so widerstand es doch dem Knecht zuzulangen. Die Bäuerin wunderte sich darüber und fragte ihn, warum er nicht zulange. Nun konnte aber der Knecht nicht mehr an sich halten und rief:

„Ei pfui Deuwel, det frät Ji man silwst,
Der Dråk het den Klump und den Speck utekelkst.“

Da merkte die Bäuerin, dass der Drache doch recht gehabt habe, als er gerufen hatte: „Hä kiekt.“ Sie liess sich zwar an dem Tage nichts merken, aber schon den folgenden Tag lohnte sie den Knecht ab. Aber auch die Magd mochte nicht auf dem Gehöft bleiben, denn der Knecht hatte ihr alles erzählt. Sie kündigte und nahm einen andern Dienst an.

Mitgeteilt von Frau Adler sen.     


Koboldsagen.
I.

Dass weiss ein jeder, dass mancher Bauer einen Kobold hat, welcher sich bei ihm auf dem Gehöfte aufhält, aber nicht jeder hat es erfahren, wie der Kobold den Leuten gar manchen Streich spielt. So befand sich einmal bei einem Bauer, von dem man sich erzählte, dass er den

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_074.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)