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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 3. Jg 1933, Heft 3

Bestimmung die Tendenz zu einer ganzheitlichen Erfassung. Die Bezeichnung "normal" wird gebraucht etwa im Gegensatz zu gewissen erblichen Merkmalen, die bei Bevölkerungen auf Grund von Epidemien entstanden sind. Entscheidend ist die Forderung der ErblichkeiL für das, was eine Rasse kennzeichnen soll. Schon Kant hatte hier entscheidend formuliert: "Nur das, was in einer Tiergattung anerbt, kann zu einem Klassenunterschiede in derselben berechtigen". Hier eröffnet sich natürlich sofort das Problem der Erbfestigkeit. Merkmale, die als Rassenmerkmale dienen sollen, müssen erbfest sein, d. h. sich forterben, falls keine Mischung erfolgt, und nach gewissen Gesetzen, deren Erkenntnis die exakte Erbforschung sich sehr langsam nähert und die natürlich keineswegs einfachhin die Gesetze Mendels sind, jeweils wiedererscheinen. Dass Eickstadt weiterhin von Körpermerkmalen redet, ist kennzeichnend fur den somatischen Ausgangspunkt der Rassenforschung, die, vor allem mit Hilfe von Messungen, zunächst einmal festen Boden unter den Füssen gewinnen musste. Demgegenüber steht die Erforschung seelischer Rassenmerkmale noch ganz in den Anfängen und hat mit bedeutenden methodischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist klar, dass gerade ihr menschlich die überwiegende Bedeutung zukommen würde. Man strebt heute mit Recht hinaus über die Aufzählung einzelner Merkmale zu der Aufdeckung innerlich zusammenhängender Merkmalgruppen. Es ist denkbar, dass man in Zukunft zu Stilprinzipien gelangen wird, die die körperliche und seelische Ganzheit des Menschen durchgreifen. Einen gewissen Ansatz in dieser Richtung geben die interessanten Werke von L. F. Clauss, wenn sie auch notwendigerweise noch keineswegs feststehende und umfassende Problemlösungen gewähren können. Wir gedenken auf diese Arbeiten und ihre verdeckten Voraussetzungen in einem besonderen Aufsatz zurückzukommen. Die Einbeziehung der Schwankungsbreite in die Definition der Rasse dürfte sich von selbst verstehen. Als besondere Dimensionen der Schwankung sind anzusehen etwa die Konstitutionstypen Kretschmers, die sich in keiner Weise mit Rassen decken; dann die Berufstypen — Eickstadt führt z. B. den Unterschied von Schneider und Schmied an —; weiterhin die Gautypen, deren Erforschung sich vor allem Hellpach gewidmet hat — der Unterschied z. B. zwischen einem Rheinlander und einem Oberbayern ist in seinem Wesen kein Rassenunterschied —; schliesslich solche Unterschiede wie Sexualtypen, in erster Linie der Geschlechtsunterschied selber; Alterstypen, etwa der Unterschied zwischen Jüngling und Greis, und letzen Endes die von der Blutsgruppenforschung aufgedeckten Typenunterschiede.

Blicken wir zurück von der Rassenforschung her auf die verschiedenen Lehren, die wir für die Rassenideologie kennzeichnend fanden, so fallen ihre Wertmonopolisierungen zunächst dahin. Keine Naturwissenschaft wertet. Geschichtswissenschaft und Philosophie, die allerdings Werte zu erkennen haben, sehen Wert und Kultur bei allen Rassen und ihrer Eigenart. Die Tuschmalerei der Chinesen muss dem Erkennenden so lieb sein wie die Musik der Deutschen und der russische Roman wie die Epen der Negerkulturen. Etwas anderes ist, was man selbst verwirklichen kann und soll. Die Achtung vor dem Fremden muss sich mit der Verwirklichung des eigenen Wesens verbinden. Jeder pflege das Eigene ununterdrückt

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 3. Jg 1933, Heft 3. Librairie Felix Alcan, Paris 1933, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_2_Heft_3.pdf/80&oldid=- (Version vom 30.5.2022)