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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

Bedingung der Reproduktion bildet, wie dies Marx ausdrücklich feststellt: „Es ist tatsächlich dasselbe, was . . . Ricardo price of production, cost of production, die Physiokraten prix necessaire nennen, . . . weil er auf die Dauer Bedingung der Zufuhr, der Reproduktion der Ware jeder besonderen Produktionssphäre ist“ (Kapital, III 1, S. 178). Noch mehr aber! Die praktische Wichtigkeit und Bedeutung der allgemeinen Profitrate wird noch klarer hervortreten, wenn wir erwägen, daß auf ihr die Gemeinsamkeit der ökonomischen Klasseninteressen der Unternehmer beruht. Würden sich nämlich die Waren zu ihren Werten austauschen, dann wäre jeder Unternehmer nur an der Exploitation der von ihm selbst beschäftigten Arbeiter interessiert und sein Gewinn mit dem von „seinen“ Arbeitern produzierten Mehrwert identisch. Erst die Verwandlung des Mehrwerts in den Durchschnittsprofit bewirkt, „daß jeder einzelne Kapitalist, wie die Gesamtheit aller Kapitalisten, … in der Exploitation der Gesamtarbeiterklasse durch das Gesamtkapital und in dem Grad dieser Exploitation nicht nur aus allgemeiner Klassensympathie, sondern direkt ökonomisch beteiligt ist, weil . . . die Durchschnittsprofitrate abhängt von dem Exploitationsgrad der Gesamtarbeit durch das Gesamtkapital" (Kapital, III 1, S. 177). Hält man sich an das Wertschema, wo der Verkauf der Waren zu ihren Werten stattfindet, daher auch in den einzelnen Sphären verschiedene Profitraten bestehen, so bleibt die Konkurrenz und ihr Ergebnis – die Tatsache der regulierenden Produktionspreise – unberücksichtigt[1], und die Durchschnittsprofitrate. also die ..treibende Macht“ – „worauf die ganze kapitalistische Produktion beruht“ – geht verloren!

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/85&oldid=- (Version vom 12.5.2022)
  1. Der Einwand Sternbergs gegen meine Wertauffassung, daß sie „die Bedeutung der Konkurrenz im Kapitalismus übersehe" (,.Die Umwälzung der Wissenschaft“, Berlin 1930, S. 12), stellt die Tatsachen auf den Kopf. Nicht ich habe die Konkurrenz übersehen, vielmehr blieb sie in der ganzen bisherigen 30jahrigen Diskussion über das Akkumulations- und Krisenproblem unberücksichtigt. Herr Sternberg spricht zwar von der Notwendigkeit, die Konkurrenz zu berücksichtigen, tut es aber ebensowenig wie die anderen Autoren von Tugan-Baranowsky bis Bucharin, da sie alle mit einem Schema operieren, das nur Werte kennt. Im Begriff des Wertes ist aber auch die Verschiedenheit der Profitraten in den einzelnen Sphären, daher auch die Ausschaltung der Konkurrenz, eingeschlossen, da ,,erst die Konkurrenz der Kapitale in den verschiedenen Sphären den Produktionspreis hervorbringt, der die Profitraten zwischen den verschiedenen Sphären egalisiert" (Kapital, III 1, S. 156). Wo man die Krisen als primärpartielle, aus der Disproportionalität der einzelnen Sphären sich ergebende behandelt – wie in den Arbeiten der genannten Autoren – , ist die Berücksichtigung der Konkurrenz, d. h. der Tendenz zur Ausgleichung der Profitraten, unbedingt notwendig. Anders ist es in meinem Buche, wo es um die Erklärung der primär allgemeinen, sämliche Sphären zugleich erfassenden Überakkumulationskrisen geht. Für die Gesamtgesellschaft „verliert die Unterscheidung der Werte von den Produktionspreisen jede Bedeutung" (vgl. mein „Akkumulationsgesetz", S. 107 und 211), da hier beide Großen identisch sind. Ebenso unrichtig ist der weitere Ein wand, daB die Wirkung der Konkurrenz schon im Werte selbst enthalten wäre, weil die Konkurrenz den Wert, d. h. die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, bestimme. Diese Auffassung ist mit den wesentlichen Grundlagen der Marxschen Wertlehre absolut unvereinbar. Tatsächlich ist die Funktion der Konkurrenz fur den Wert nicht konstitutiv, sondern blofi deklaratorisch. Sie bestimmt nicht die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, stellt sie vielmehr nur nachträglich fest. Die Konkurrenz spielt sich nämlich auf dem Markt, also innerhalb der Zirkulationssphäre, ab. Der Wert aber wird in der Produktion geschaffen, geht also aller Konkurrenz voraus. „Der Wert der Waren" – sagt Marx – „ist in ihren Preisen dargestellt, bevor sie in die Zirkulation treten, also Voraussetzung und nicht Resultat derselben“ (Kapital, I, S. 133. Ähnlich „Zur Kritik'% S. 49). Bereits die Physiokraten Quesnay und Mercier de la Riviere wußten, daß die Waren den Tauschwert besitzen, bevor sie zum Austausch auf den Markt kommen (vgl. Marx, Kapital, I, S. 133 und Aug. Oncken, Gesch. d. Nationalökon., Leipzig 1902, S. 370).