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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

Diese Fragen wurden von 100 Lesern der Zeitschrift beantwortet, und zwar von Arbeitern, Angestellten, Lehrern und einigen Studenten. Obwohl der Enquete aus methodischen Gründen keine allzugroße Bedeutung beigemessen werden kann, scheint das Ergebnis doch recht charakteristisch:

„Die Arbeiter bevorzugen in übergroßer Mehrheit, wie wir schon annahmen, diejenigen Blätter, die am ausführlichsten über Sport berichten, und besonders diejenigen, die diesen Mitteilungen einen literarischen Schwung geben. Wie man erwarten konnte, teilen die Befragten uns einstimmig mit, daß die große Mehrheit ihrer Arbeitskollegen Besucher sportlicher Veranstaltungen sind; verschiedene bemerken noch dazu, daß es besonders die jüngere Generation ist, die die Sportveranstaltungen mit größtem Eifer besucht.“ (S. 60)

Einen anderen Charakter trägt der Sport in Großbritannien, wo er mehr als vornehmes Spiel betrachtet wird. In ganz England ebenso wie in den Vereinigten Staaten gibt es überall von Privatleuten gegründete sog. „playing fields“. So besteht in London bereits langer als 40 Jahre eine große musterhafte Playing Field Society mit der Aufgabe, Cricket, Fußball u. a. derartige Spiele bei den Londoner Beamten und Arbeitern zu fördern, um die physischen und moralischen Kräfte der Bevölkerung zu heben. Im allgemeinen gibt es auf dem Gebiet des Sports in England keine scharfe Klassentrennung, ebensowenig wie auf dem Gebiet der Bildungsbestrebungen.

In den großen modernen Arbeitersportorganisationen ist die Bewegung mit einer bestimmten Idee verwachsen: der kulturellen Hebung der Masse im Kampf für den Sozialismus. Klar wird der Ursprung dieser Bewegung, die sich besonders in den mitteleuropäischen Ländern entwickelt hat, von Paul Franken skizziert.

„Nach den Novembertagen 1918 trat die Arbeiterschaft als ein wesentlicher Faktor in das öffentliche Leben ein. Es war ein weiter Raum geschaffen, in dem sieh die Kräfte frei entfalten konnten, die bis dahin gebunden und gehemmt waren. Besonders die proletarische Jugendbe-Bewegung[WS 1], vor allem aber auch die Arbeiter-Turn- und Sportbewegung wurden jetzt Massenbewegungen im wahrsten Sinne des Wortes. In der Arbeiterklasse entwickelten sich Machtbewußtsein und Machtwille nach dem Zusammenbruch der alten Gewalten in stärkstem Maße. Das blieb nicht ohne Einfluß auf das Vereinsleben. Auf vielen Gebieten der proletarischen Kulturbestrebungen machte sich ein neuer und kühner Geltungsdrang bemerkbar, als Rückwirkung auf den harten und eisernen Zwang furchtbarer Kriegsjahre. Vier lange Jahre hatte man den menschlichen Körper mißachtet. Verzweiflung, Trauer und Hunger hatten selbst die leiseste Sehnsucht nach erhebender Freude, nach einer Ausfüllung der freien Stunden, die diesem tiefen Sehnen entsprach, unterdrückt. So ist es zu verstehen, daß nach dem Ende des Kriegsschreckens die Freuden des Lebens entdeckt und erlebt sein wollten. Sport, Wandern usw. zogen große Massen, besonders der arbeitenden Jugend, in ihren Bann. Körperpflege

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Typo im Original.
Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/258&oldid=- (Version vom 15.1.2023)