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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2

Industrie, die Manufakturperiode" (S.89/90). Damit trete auch für die Geschichte der Naturwissenschaften, ebenso wie für die Geschichte der Philosophie, eine wichtige Umwälzung ein. Denn das dem Arbeitsprozess fernstehende Geldkapital konnte keine rationale Technik schaffen; eine solche sei erst "dem Kapitalismus allein adäquat und in der Manufakturperiode zuerst ...verwirklicht" (S. 90).

Die Träger dieser neuen manufakurellen Technik seien nicht die "religiös indifferente Geldkapitalisten", sondern die "calvinistischen aufstrebenden kleinen Leute". Die rationelle Manufakturtechnik "entsteht aus der Bemühung um Rationalisierung des Handwerks" (S.90), während den Geldkapitalisten "jeder Antrieb zur systematischen Rationalisierung der Technik" fehle(S.90). Borkenau erklärt freilich es seien "Erfindungen in der Renaissance von Praktikern in unzähliger Menge gemacht worden, darunter solche von höchster Bedeutsamkeit; aber zufällig und ohne die Möglichkeit systematischer Vervollkommnung" (S.88/89). Ganz anders hätte es sich jedoch mit der Manufakturtechnik verhalten: "Die einfachen Grundformen der modernen Technik", die zur "Grundlage des mechanistischen Weltbildes wurden, ...haben sich gänzlich abseits der Renaissanceerfindungen entwickelt" (S.90)

Das Wesen dieser für das moderne Weltbild so wichtigen neuen Technik aber bestehe, "wie man weiss", in nichts anderem als einer aufs äusserste getriebenen Arbeitszerlegung, bei vollständiger Beibehaltung der handwerklichen Grundlagen des Produktionsprozesses (S.2). In der Arbeitszerlegung ersetze die Manufaktur den geschulten Handwerker durch ungeschult Arbeiter, deren Arbeit "in der Ausführung eines durchaus einfachen Handgriffs" bestehe (S.7). Es entfalle somit jede besondere Schulung, die Arbeit verliere die Qualität und "wird zur reinen Quantität". Das bedeutete, dass die qualifizierte Arbeit durch "allgemein-menschliche" oder "abstrakte Arbeit " ersetzt werde, die den Grundbegriff der modernen Mechanik bilde. So zeige sich, dass die Manufaktur eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der Grundbegriffe der modernen Galileischen Mechanik bilde, "insofern sie zum erstenmal abstrakte Arbeit und abstrakte Materie schuf" (S.13).

Die galileische oder "eine ihr verwandte" Mechanik sei aber ihrerseits die Voraussetzung des mechanistischen Weltbildes, da diese neue Philosophie nichts anderes sei als der Nachweis, "dass alle Naturvorgänge mathematisch-mechanisch erklärt werden können" (S.10), dass alle Naturerscheinungen auf sinnlose Veränderung der Materie, d. h. auf Stoss und Bewegung reduzierbar sind (S.12). Durch diese ineinandergreifende Kette von Schlussfolgerungen sei erwiesen , dass das mechanistische Weltbild bloss "eine Übertragung der Vorgänge in der Manufaktur auf den gesamten Kosmos" sei (S.12). Das mechanistische Weltbild setze sich zugleich mit der modernen Mechanik und der modernen Philosophie durch (S.10): "Die Verwerfung der qualitativen Philosophie, die Schöpfung des mechanistischen Weltbilds ist ein scharfer Umbruch, der um 1615 beginnt und in Descartes' "Discours" (1637), Galileis "Discorsi" (1638), Hobbes "Elements" (1640) gipfelt" (S. 13).

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_2.pdf/6&oldid=- (Version vom 22.12.2022)