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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2

Für Jacques Savary, den berühmten Verfasser von "Le parfait Négociant" (1673) und Berater Colberts in allen legislativen Angelegenheiten der Manufakturorganisation, ist es selbstverständlich, dass es die Grosskaufleute sind, welche sich an Manufakturgründungen beteiligten. Er gibt also Belehrungen für "Négociants qui voudroient établir des Manufactures [1].

Wir sehen: die geschichtliche Auffassung Borkenaus; dass der Kapitalismus im allgemeinen und die Manufaktur im besonderen "nicht von Geldkapitalisten, sondern von aufstrebenden kleinen Leuten gemacht wurde", hat mit der wirklichen Geschichte nichts gemein. Sie ist eine Theorie, die aus der Genesis des Kapitalismus, aus der ursprünglichen Akkumulation, eine "Idylle" macht, der gemäss die "Arbeit", die "unbegrenzte Anstrengung" (S. 176) des "soliden" Manufakturkapitals (S. 155) als das Bereicherungsmittel dient und das "Aufsteigen in die kapitalistische Klasse durch strenge Rationalität der Arbeit" (S. 157) sich vollzieht.

10. Wir haben oben gezeigt, wie Borkenau die vormanufakturelle Entwicklung des Kapitalismus einfach konfisziert. Nun soll seine Auffassung der Manufaktur und der manufakturellen Arbeitsteilung näher geprüft werden.

Nach seiner Ansicht erstreckt sich die Lebensdauer der Manufaktur vom "Beginn des 16. Jahrhunderts" (S. 13) bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, umfasst also eine Periode von fast 300 Jahren. Für jeden historisch Geschulten ist von vornherein klar, dass während einer so langen Periode die Manufaktur nicht unverändert geblieben sein kann. Borkenau stellt diese Erwägung nicht an. Für ihn ist das Problem der "Manufakturperiode" eine einfache und eindeutige Sache. Er spricht von "dem Manufakturkapitalismus" (S. 157), von den "Methoden der Manufaktur" (S. 4), von der "manufakturellen Technik" (S. 7), von der „manufakturellen Bourgeoisie“ (S. 13, 162) und von dem "manufakturellen Denken" (S. 404), als ob es sich dabei stets um absolut feststehende und eindeutige Kategorien handele. "Wie man weiss, besteht die manufakturelle Technik in nichts anderem als einer aufs äusserste getriebenen Arbeitszerlegung, bei vollständiger Beibehaltung der handwerklichen Grundlage des Produktionsprozesses" (S. 2). Die Manufaktur beseitige die Arbeitsqualifikation, sie ersetze den geschulten Handwerker durch den ungeschulten Arbeiter, dessen Arbeit "in der Ausführung eines durchaus ein- fachen Handgriffes" bestehe, den er mit Präzision vollbringe und

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_2.pdf/24&oldid=- (Version vom 24.2.2023)
  1. Jacques Savary, Le parfait Négociant. Bd. II, chap. 6 u. 7, zitiert nach der 5. Auflage, Lyon 1700.