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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2

üblichen Weise vor sich gehen. Die Zentralisierung der Arbeiter im geschlossenen Fabrikraum, die Manufaktur, ist erst die letzte Etappe dieses langen historischen Umwandlungsprozesses und bildet wiederum den Ausgangspunkt einer neuen in Etappen sich vollziehenden Evolution innerhalb der Manufaktur, — eines Prozesses, auf den wir später noch zurückkommen werden (Siehe weiter unter 10).

Hier ist nicht der Ort, um auf die weiteren Details dieser Theorie einzugehen. Viele Historiker haben in zum Teil glänzenden Arbeiten ihre Richtigkeit am historischen Stoff demonstriert[1]. Für Italien insbesonders hat Doren die Richtigkeit der Marxschen Auffassung an einem gewaltigen Tatsachenmaterial nachgewiesen[2]. Und dasselbe, ebenso überzeugend, ebenso an Hand eines umfangreichen Quellenmaterials, bewiesen für Flandern und die Niederlande im 13. Jahrhundert H. Pirenne[3], für England im 15. und 16. Jahrhundert W. Cunningham, W. J. Ashley und G. Brodnitz[4], für Holland im 16, Jahrhundert Baasch[5]. Weitere Schriftsteller wie E. Levasseur, H. Hauser, Mosnier u. a. haben auf Grund umfangreicher Quellenforschung für Frankreich gezeigt, dass der Zersetzungsprozess des Handwerks im 15. und 16. Jahrhundert, sein enger Horizont und sein Festhalten an der Routine zu stark waren, als dass aus seiner Mitte neue Betriebsformen und eine neue Technik hätten hervorgehen können, — und dass in Frankreich ebenso wie in England das Geld- und Handelskapital der erste Pionier der kapitalistischen Produktion — des Verlagssystems — gewesen war[6]. Man kann sagen, dass diese Theorie von der historischen Genesis des Kapitalismus zur herrschenden Lehre geworden ist; sie hat bereits Eingang in die Lehrbücher der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte wie die von H. Sée und J. Kulischer[7] gefunden,

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 2. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_2.pdf/19&oldid=- (Version vom 22.2.2023)
  1. H. Sieveking, Die kapitalistische Entwicklung in den italienischen Städten des Mittelalters, in : "Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" Bd. VIII (1909) S. 73, 80. Vgl. auch Adolf Schaubes Kritik Sombarts an Hand des englischen Geschichtsstoffes: Die Wollausfuhr Englands vom Jahre 1273. (Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. VII (1908). Heynen, Zur Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus in Venedig, 1905, S. 121 ff. — Broglio D’Ajano, Die Venetianer Seidenindustrie bis zum Ausgang des Mittelalters. Stuttgart 1893. — R. Davidsohn, Forschungen zur Geschichte von Florenz, Bd. IV. Berlin 1922, S. 268 ff.
  2. A. Doren, Studien aus der Fiorentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. I, Stuttgart 1909, S. 23.
  3. Henri Pirenne, Les Anciennes Démocraties des Pays-Bas, Paris 1910.
  4. W, Cunningham, The Growth of English Industry and Commerce. London 1890, Bd. I.— W. J. Ashley, Englische Wirtschaftsgeschichte, Bd. II. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Leipzig 1896. — G. Brodnitz, Englische Wirtschaftsgeschichte, Jena 1918.
  5. Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte, Jena 1927, S. 86, 156.
  6. E. Levasseur, Histoire des Classes Ouvritrès et de !’Industrie en France avant 1789, Paris 1901, Bd. II: "Au XVIIe siècle les corporations opposaient un obstacle presque insurmontakle à la création de la grande industrie et même de procédés nouveaux dans Pindustrie" (S. 174). — "La grande industrie ne pouvait pas naitre dans le sein de la corporation" (S. 271, 154). Ähnlich Henri Hauser, Les Débuts du Capitalisme, Paris 1927, S. 22 ff.
  7. Henri Sée, Les Origines du Capitalisme Moderne. Paris 1930, S. 13, 15. — J. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte. München 1929, Bd. II, S. 110.