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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

eines Korrelats zu diesen für diejenigen, die keinen oder zu geringen Anteil daran haben. Denn auch der Vorzug, den das Eigentum geniesst, hat seinen Sinn nur darin, dass der Mensch als Mensch das Verlangen hat, zu leben und in der Lage zu sein, sich zu versorgen. Dadurch wird, wenn er seine soziale Pflicht erfüllt, auch seine Existenz gesichert. Und nichts anderes als eine Sicherung will das Recht auf Arbeit: es will Gerechtigkeit.

IV.

Das folgende Kapitel soil auf wenigen Seiten den Inhalt des Rechts auf Arbeit beschreiben. Vielfach sei es ausgedehnt worden auf die Facharbeit, andererseits habe man es mit dem "Recht auf Lohn" gleichgesetzt, was Bosse nicht gelten lässt, während er mit jener Ausdehnung einverstanden ist. Er verweilt dann bei der Deutung als Recht auf "Beschäftigung", das jedenfalls ein integrierender Teil des Rechts auf Arbeit, aber nicht mit ihm identisch sei. Jenes setze einen bestehenden Arbeitsvertrag, dieses setze Arbeitslosigkeit voraus. Auch sei jenes schon in den Gesetzgebungen mehrerer europaischer Staaten durchgeführt, dieses höchstens prinzipiell anerkannt, und es müsse ein Recht auf die Facharbeit in sich schliessen, sofern der Arbeiter, solche versteht. Das folgende grosse Kapitel (6) behandelt die "Verwirklichung des Instituts: Recht auf Arbeit" in mehreren Ländern, zuerst im Deutschen Reich. Denn Deutschland sei durch seine traurigen Zustände nach dem Kriege vorangeschoben worden und habe in einigem Masse auch in dieser Hinsicht anderen Ländern als Vorbild gedient. Der Verfasser stellt dann eine interessante Vergleichung an zwischen dem Deutschen Sozialisierungsgesetz vom 23. März 1919 und dem Artikel 163 der Reichsverfassung: dort der Ausdruck "„gewährleisten" — jedem Deutschen gewährleistet das Reich die Möglichkeit — , hier der Ausdruck "soll" (die Möglichkeit gegeben werden), womit der "Garantie" ihr Boden unter den Füssen weggezogen werde. Eine sozialpolitische Vorschrift, durch finanz- und wirtschaftspolitische Einschränkungen bedingt, sei übrig geblieben. Die Reichsverfassung anerkennt keine Pflicht für den Staat und gibt dem Arbeiter keine Klage. Auch gibt es kein Recht auf qualifizierte Arbeit, und der Arbeiter kann keine Ansprüche geltend machen, wenn etwa die Gesamtheit Arbeitsherr ist. Es folgen noch mit besonderer Beziehung auf Deutschland Abschnitte über Arbeitsvermittlung und die tatsächliche Unterstützung der Arbeitslosen. Der Arbeitsnachweis, dessen hoher Wert betont wird, sei nicht als Schritt zur Konstituierung des Rechts auf Arbeit zu schätzen, ebensowenig die "produktive" Arbeitslosenunterstützung.

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/75&oldid=- (Version vom 21.10.2022)