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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

war und die gesamte norwegische Volkswirtschaft zum Gegenstand hat, in deutscher Sprache herausgegeben. Er hat dann in seiner Muttersprache in zwei starken Bänden ein Werk veröffentlicht, dem er den Titel „Det ökonomiske Arbeide" gegeben hat und das er als Arbeitslehre schlechthin verstanden wissen will. Man darf sagen, dass dies Werk alle Probleme berührt, die mit dem gewaltigen Thema zusammenhängen, und dass es durch einen grossen Reichtum der literarischen Kenntnis sich auszeichnet.

Die neue uns vorliegende Schrift darf als eine Ergänzung dieses grossen Werkes geschätzt werden, wie auch der Verfasser den Zusammenhang durch die Worte "Zur Arbeitslehre" auf dem Titelblatte andeutet: offenbar ist ihm an Begründung dieser besonderen Disziplin vorzugsweise gelegen. — Bosse hat in 9 Kapiteln sein Thema bearbeitet. Erst im zweiten tritt der Begriff des Rechtes auf Arbeit ans Licht. Zunachst wird in Kürze die Geschichte dieses Postulates besonders in den beiden grösseren französischen Revolutionen, dargestellt, sodann das viel spätere Auftreten im Deutschen Reichstag, wo die Äusserungen Bismarcks am 9. Mai 1884 mit ihrer Berufung auf das Preussische Landrecht ein Aufsehen gemacht haben, das von dem, der es erlebt hat, nicht vergessen wird. Es folgt noch eine Ausführung über Verhandlungen des Gegenstandes in England und in der Schweiz. Diese ganze Entwicklung ist uns aus den Artikeln des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften und des Wörterbuchs der Volkswirtschaft geläufig. — Der norwegische Gelehrte hat der Theorie in seinen ersten Kapiteln einen Unterbau gegeben, durch Hinweisung auf die praetendierten Rechte auf Dasein und auf Unterstützung, das aus jenem abgeleitet wird. Beide haben — so lehrt Bosse — ihre Voraussetzung in der Armut, und deren Erörterung, besonders die des englischen Armenrechtes, deutet schon hin auf das schwere Problem der Arbeitslosigkeit. Treffend begründet er, dass das Recht auf Unterstützung durch die neuere soziale Entwicklung und besonders durch die Arbeitslosigkeit als Massenerscheinung einen durchaus anderen Charakter erhalten hat, nämlich sich weit entfernt hat von dem etwa behaupteten Recht der Armut überhaupt, auch wenn sie nachweislich aus zufälligen Ursachen und etwa auch aus subjektiven Schwächen und Verfehlungen stammen mag.

Darüber vernehmen wir nunmehr im dritten Kapitel, nachdem schon das zweite das Recht auf Arbeit auch in seinem Verhältnis zur Sozialpolitik behandelt hat ; Bosse behauptet, dass es mit Sozialpolitik nichts zu schaffen habe. Er wiederholt hier die Darstellung seines grossen Werkes, wenn er in der Sozialpolitik unterscheiden will: 1. die soziale Hygiene, 2. die Sozialphysik,

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/70&oldid=- (Version vom 30.8.2022)