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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 3. Jg 1933, Heft 1

Arbeitsmarkt und Strafvollzug.
Gedanken zur Soziologie der Strafjustiz[1].
Von
Georg Rusche (Frankfurt a. M.).
I.

Für die Sozialforschung ist das Studium des Verbrechens und seiner Bekämpfung ein fruchtbares Gebiet. Es liegen hier Erscheinungen vor, die in so weitem Ausmaß von gesellschafttichen Kräften bestimmt sind, daß sie auf der einen Seite nach Erklärung aus sozialen Gesetzmäßigkeiten geradezu drängen, auf der anderen Seite ganz besonders geeignet sind, diese Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen ihrerseits zu erhellen. Das hat seinen Grund darin, daß die Komplizierungen und Verhüllungen, die die Erforschung anderer sozialer Beziehungen so sehr erschweren, hier weitgehend von der Brutalität der Tatsachen und der Notwendigkeiten eines Kampfes zuruckgedrängt werden, der offen geführt werden muß.

Erstaunlicherweise hat sich die Forschung die hier gebotenen Möglichkeiten nur in verhältnismäßig geringem Maße zunutze gemacht.

Zwar sind soziologische Gesichtspunkte bei der Untersuchung der kriminalistischen Probleme weitgehend herangezogen worden, aber sie sind keineswegs zu ihrem Recht gekommen. Denn wenn sich auch jedem, der die Probleme des Verbrechens und seiner Bekämpfung untersucht, Zusammenhänge mit sozialen und ökonomischen Schichtungen aufdrängen, so ist es doch ein weiter Schritt von dem naiven Erkennen dieser Tatsache bis zu einer ihrer systematischen Bedeutung entsprechenden Auswertung mit den hierfür zu Gebote stehenden Mitteln der Theorie.

Dieses Versagen wird dadurch erklärlich, daß im allgemeinen die Forscher, die sich den kriminalistischen Problemen widmen, nicht mit den Grundlagen der Gesellschaftswissenschaften vertraut

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 3. Jg 1933, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1933, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_2_-_Heft_1.pdf/65&oldid=- (Version vom 12.6.2022)
  1. Die Gedankengänge dieser Studie werden in einem im Auftrag des Instituts für Sozialforschung geschriebenen und später zu veröffentlichenden Buch ausführlich begründet.