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Der Dampfer selbst war auf dem Etablissement noch theilweise in Montage begriffen.

Die oben beschriebene Leitung des Seiles über die verticale Seilscheibe beansprucht drei wesentliche Krümmungen desselben abwechselnd nach verschiedener Richtung. Um nun diese zu vermeiden und Biegungen nur nach einer Richtung zu erhalten, ist von Hrn. Eyth eine in vieler Hinsicht interessante Construction angegeben, welche auf dem vierten Toueur (Nr.  2), Fig. 3 und 4, Taf. XXV, in Betrieb und in Fig. 2, 3, 5 und 6, Taf. XXVI, in verschiedenen Details dargestellt ist. Die Fowler’sche Seilscheibe liegt hier horizontal auf dem Verdeck des Schiffes und dicht neben ihr eine Leitscheibe von demselben Durchmesser 1,80 m mit zwei Rinnen, in deren einer das Seil aufläuft, während es durch die andere abgeleitet wird. Es geht nun das Seil, welches von einer Leitrolle am Vordertheil des Schiffes, von gleicher Construction wie bei den übrigen Dampfern aufgenommen wird, über eine kleinere verticale an der Seite des Schiffes festliegende Leitrolle nach der oberen Rinne der Leitscheibe, von dieser um die Seilscheibe nach der unteren Rinne zurück und wird abermals von einer verticalen Leitrolle aufgenommen und an der Seite des Schiffes entlang der hinteren Leitrolle zugeführt. Die Leitscheibe hat eine geringe Neigung gegen die horizontal liegende Seilscheibe, so daß der Auf- und Ablaufpunkt des Seiles in der Höhe der Rinne der Seilscheibe zu liegen kommen; die Klappen der letzteren haben eine etwas veränderte Construction, welche sich aus Fig. 4, Taf. XXVI, ergiebt. Die Ansätze a geben dem vorderen Theile der unteren Klappe das nöthige Uebergewicht, um bei nachlassendem Drucke des Seiles von selbst die Klappen wieder öffnen zu können, was bei verticalen Scheiben allein durch das Gewicht der Klappen bewirkt wird. Seitwärts von der Seilscheibe sind noch zwei Preßrollen wie bei den verticalen Scheiben, welche durch Belastung der sie tragenden Hebel angedrückt werden.

Der Dampfer selbst hat 25 m Länge, 3,85 m Breite, 2,15 m Höhe bis zum Deck und 1 m Tiefgang. Er ist, wie der zuerst beschriebene von Fowler in Leeds gebaut. Seine Maschine ist eine quer durch den Raum gelagerte vom Kessel abgenommene Locomobile mit Coulissensteuerung, welche eine Veränderung der Expansion zwischen 3/8 und 3/4 des Kolbenhubes gestattet. Die beiden Cylinder, welche seitwärts vom Kessel liegen, haben 222 mm Durchmesser bei 305 mm Hub und geben bei 70 Umdrehungen pro Minute und bei einem Dampfdruck im Kessel von 6,88 Kilogrm. pro Quadratcentimeter eine Leistung von 14 Pferdestärken. Die Uebertragung der Bewegung erfolgt zunächst durch conische Räder, wobei durch eine verschiebbare Kuppelung eine doppelte Uebersetzung herzustellen ist auf eine stehende Welle, deren oberes Getriebe in den inneren Zahnkranz der Seilscheibe greift. Die beiden Uebersetzungen geben dem Dampfer eine Geschwindigkeit von 5 resp. 2,5 Kilometer pro Stunde. Dieselbe Maschine dient auch zum Betriebe der Schraube, welche bei 710 mm Durchmesser und 315 Umdrehungen pro Minute den Dampfer mit einer stündlichen Geschwindigkeit von 10 Kilometer vorwärts bewegt.

Der zweite Versuchstag brachte einzelne interessante Einzelheiten, so namentlich das Durchschleusen des Dampfers durch die Schleuse bei Jemeppe und das Auswechseln des Seiles von einem Toueur auf den anderen.

Wie bereits erwähnt, ist das Drahtseil ohne Unterbrechung durch die Schleusen hindurchgeführt, so daß der Dampfer an demselben in die Schleuse ein- und wieder ausfahren kann. Vor dem Einfahren wurde das Seil von der vordersten und hintersten Leitrolle abgeschlagen und erhielt dadurch die erforderliche Schlaffheit, um dem Dampfer Freiheit zu geben, dem Wechsel des Wasserstandes in der Schleusenkammer folgen zu können. Sobald jener die Schleuse verlassen, wurde das Seil wieder in die Rollen gelegt. Es fand sich dann auch Gelegenheit, die Steuerfähigkeit des Seildampfers zu zeigen, als ihm in einer Stromenge zwei thalwärts gehende Schiffe begegneten und ein Ausweichen des Dampfers nothwendig wurde. Ohne die geringste Schwierigkeit machte derselbe so viel Platz, daß die Schiffe vorbeigehen konnten und kehrte dann in seinen früheren Cours zurück.

Weniger glatt von Statten ging die Aufnahme des von einem zweiten Dampfer abgegebenen Seiles, was wohl dem Mangel an allen Apparaten an Bord für diese nur höchst selten vorkommende Operation zuzuschreiben ist. Das Abwerfen des Seiles hatte Verf. nicht Gelegenheit zu beobachten, das Aufnehmen dagegen, welches ohne alle maschinelle Beihülfe durch das Schiffspersonal ausgeführt werden mußte, machte viel Umstände und nahm beinahe eine Stunde Zeit in Anspruch. Nachdem ein Mann in einem Handkahn das Seil mittelst eines Hakens aufgefischt, wurde dasselbe nicht ohne bedeutende Anstrengung über die Seilscheibe in die Höhe gebracht und in dieselbe eingelegt, von welcher die Leitscheiben in ihren Coulissen möglichst weit entfernt worden waren, darauf in die hinterste und vorderste Leitrolle gebracht, wonach dann bei langsamem Angehen der Maschine die Leitscheiben und Preßrollen ihre frühere Lage wieder erhielten. Eine passend angebrachte Winde möchte hier große Erleichterung verschaffen.

Was schließlich die eigentlichen Betriebsverhältnisse auf der Maas betrifft, so wird der Weg von Lüttich nach Ramur wegen des Aufenthaltes an den Schleusen, welche gegenwärtig nur ein Schiff auf einmal aufnehmen können, in zwei Tagen zu 10 Arbeitsstunden zurückgelegt; der Dampfer geht dann am dritten Tage, meistens leer, stromabwärts wieder zurück. Bei einem Frachtverkehr von durchschnittlich 800 täglich, oder 8000 Tonnen monatlich, da der Dampfer in dieser Zeit 10 Fahrten macht, und bei dem Tarif von 0,6 Centimen pro Tonne und Kilometer beträgt die monatliche Einnahme ca. 3360 Francs für jeden Dampfer, dagegen bei einer Besatzung von 4 Mann mit einem Monatsgehalt von zusammen 390 Francs, einem Kohlenverbrauch von ca. 111/2 metrischen Tonnen zu 11 Francs und ca. 30 Francs für Schmiere und Putzmaterial u. s. w. die Auslage rund 550 Francs, wozu noch die verschiedenen Abschreibungen, die Verwaltungskosten und Abgaben zu addiren wären.

Es mag hier noch ein Bericht des Hrn. de Mesnil Erwähnung finden, welcher die Einrichtung der Seilschifffahrt an einem der schwierigsten Punkte des belgisch-französischen Canalnetzes mittheilt.

Die Verbindung zwischen den Becken der Sambre und der Senne (Nebenfluß der Schelde) wird durch einen Canal hergestellt, welcher vor etwa 40 Jahren in äußerst ungünstigem Terrain mit den damaligen weniger ausgebildeten Hülfsmitteln nur in unvollkommener Anlage gebaut werden konnte und für

Empfohlene Zitierweise:
R. Ziebarth: Ueber Ketten- und Seilschifffahrt mit Rücksicht auf die Versuche zu Lüttich im Juni 1869. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Berlin 1869, Seite 745-746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_deutscher_Ingenieure_Band_XIII_Heft_12_1869_p745-746.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)