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mit Ihnen, mich immer mehr anzufeuern.[1] Ich darf nichts sagen von dem Erfolg dieses Unternehmens; das Publicum erwartet den dritten Theil davon in der Liedersammlung. Nimmer würde mein Genie eine solche Menge Früchte hervorgebracht haben, wenn nicht so geistvolle Freunde mich aufgemuntert hätten. Schon lange ward es durch Briefe eines Mannes aufgemuntert, der mehr schöner Geist als Buchhändler, mehr Freund als Verleger war. Aber ich weiß nicht, welche Gewalt meine stärksten Vorsätze niederriß; nicht seine Versprechungen, nicht die Art, mit welcher er sie that, und nicht meine Dürftigkeit konnten mich zu Ausarbeitung derjenigen Stücke bringen, die er selbst mir vorschlug. Ich versprach ihm aber eine Sammlung, und ich werde früh oder spät meine Zusage erfüllen. Diese Erstlinge meines stärker gewordenen Geistes waren für denjenigen Weg bestimmt, von welchem sie jetzt die Welt in Empfang nehmen wird. Mein Genie gibt das Feuer der Freundschaft zum Vater an; ich weiß nicht, ob diese Kinder vollkommen genug sind; die Kunst hat keinen Antheil daran, die Belesenheit nur hat hie und da einen Zug gethan. Ich nutzte die vielstündigen Tage des Sommers in den 8 Büchern der Lebensbeschreibungen griechischer und römischer Helden; Plutarch war mein einziger Begleiter bis zu der Bildsäule der Venus im Thiergarten; da saß ich unter dem Schatten einer jungen Buche und las, bis der Abend die Spazirgänger nach der Stadt trieb, und alsdann nahmen mich die Bachmann’schen und Stahl’schen Häuser zum freundschaftlichen Tisch auf; dieses beneidenswürdige Leben führte ich bis zur Mitte des Septembers. Mein Briefwechsel mit Gleim war überaus lebhaft und häufig; 40 Tage lang hatte ihn Berlin gesehen, und ebenso viel Gesänge entführte er als einen angenehmen Raub nach Halberstadt. Ich konnte dem Zuge nicht widerstehen, der mich nach Magdeburg und Halberstadt fortriß; ich überwand jedes Hinderniß; zum Besuch, sagte ich mir selbst vor, daß ich reisen wollte. Von Freund Bachmann war ein Zimmer für mich besorgt; ich kam, und mein erstes Geschäft war ein Gesang an die Stadt Magdeburg; ich wußte nicht, daß der Umlauf eines Jahres hier durchlebt werden sollte. Die Gemahlin des Commandanten lud mich zu ihrem Tisch, und kein Gedanke sagte mir, daß


  1. Gleim schrieb in dieser Zeit an Uz: „Ich sagte, als ich sie zu Berlin zum ersten Male sah, sie könnte eine deutsche Sappho sein; ich hatte eine Ode von ihr gelesen, die sich anfängt: „Sohn Cytherens, kleiner Weltbezwinger!“ welche hinlänglich war, von ihrem Geist mir einen völligen Begriff zu geben. Auf meinen Vorschlag machte sie einen Versuch und übersetzte die beiden Oden der Griechin; sie kam dadurch so sehr in den Sapphischen Schwung, daß sie hernach bei dem mindesten Anlaß dazu ein Sapphisches Lied sang. Ohne einen Phaon zu haben wäre es nicht angegangen; sie that mir die Ehre, mich dazu zu erwählen“.
    Die Dichterin sandte ihm für den schönen gegebenen Namen ihr Bild mit folgenden Versen:
    „Mein Bild soll für die Lieder kommen,
    Die ich Dir sang zur Zeit,
    Da ich von Dir den Namen angenommen,
    Den Anspruch zur Unsterblichkeit“.
Empfohlene Zitierweise:
Anna Louisa Karsch: Leben der A. L. Karschin, geb. Dürbach. F. A. Brockhaus, Leipzig 1831, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitgnossen_3_3_Karsch.djvu/027&oldid=- (Version vom 1.8.2018)