Seite:Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein.djvu/59

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

Stützen ermangele, versucht der Malleus in manchen Erwählungen zu beweisen, Luftfahrten dämonischer Art kämen zuweilen wirklich vor. Der Canon, so heisst es daher, handele nur von in der Einbildung vorkommenden, nicht von wirklichen dämonischen Luftfahrten.[1] P. Binsfeld[2] glaubt ebensowohl an phantastische, wie an wirkliche Luftfahrten. Im Kölnischen hielt die erzbischöfliche Behörde noch im Jahre 1538 in dem von Johann Gropper verfassten Enchiridion[3] den Canon episcopi amtlich aufrecht und entzog damit dem Unwesen der Hexenverfolgungen eine Hauptstütze. Aber das Enchiridion kam längere Zeit später auf den Index der verbotenen Bücher,[4] und bei der Durchsicht der Bestimmungen des kanonischen Rechts zu Ende des 16. Jahrhunderts fanden die römischen Theologen (wohl die correctores romani), dass der Canon eine Bestimmung der Synode von Ancyra nicht sei.[5] So erklärt es sich, dass seit 1538 bis zum Erlöschen der Hexenprozesse die Kölner Kurie zur Frage dämonischer Luftfahrten nicht mehr Stellung nahm. Sehr richtig weist selbst J. von Görres[6] darauf hin, dass hinsichtlich solcher Luftfahrten durchgehends nur die Voraussetzung übrig bleibe, die Ausfahrt sei in der Vision geschehen. Ferner hat die Kölner Kurie es vermieden, die Probe des Hexenstigma[7] zu


  1. L. c. pag. 251 und pag. 12 sqt. Der Malleus bleibt sich gegenüber dem ihm sehr unbequemen Canon episc. nicht ganz konsequent. So giebt er S. 261 zu, dass der Canon am Ende vielleicht doch „nude absque omni declaratione intelligendus sit“.
  2. L. c. pag. 202 sqt. et pag. 219. Die gleiche Auffassung noch im Jahre 1692 in Philippi Limborch Historia Inquisitionis pag. 231.
  3. Enchiridion christianae institutionis. Coloniae 1538. Meist zusammen mit Canones concil. provinc. Coloniens. a. 1536. Herausgeber ist der Kölner Erzbischof Hermann von Wied; Verfasser J. Gropper. Vgl. Allgemeine deutsche Biographie Bd. IX, S. 735 f.
  4. Vielleicht wegen der darin fehlenden Lehre vom Fegfeuer. Vgl. K. A. Ley, Kölnische Kirchengeschichte. 1882, S. 469.
  5. Kurz vor 1587, was aus der 1587 erschienenen Ausgabe des Director. Inquisit. F. Nicolai Eymerici (pag. 345) folgt; vgl. auch P. Binsfeld l. c. p. 318. F. Agricola, der diese Entscheidung nicht kannte, sagte (7. Traktat 2. Kap. 7) noch im Jahre 1597 einfach, der Canon spreche vom Reiten mit der Diana oder Herodias, nicht vom Reiten mit dem Teufel!
  6. Christliche Mystik, Bd. IV, Abt. 2, S. 244.
  7. Vgl. Soldan-Heppe a. a. O., Bd. I, S. 166. (Tertullian). – N. Jaquier (15. Jahrhundert) erwähnt, vielleicht als der erste, in seinem Flagellum haereticorum das Hexenstigma. Ueber die Anschauung der kurkölnischen Räte inbetreff der Stigmaprobe vergl. unten S. 204. Eine medizinische Erklärung bei O. Snell a. a. O. S. 101.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)