Seite:Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein.djvu/37

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

In den zeitgenössischen Berichten über das Auftreten der Geissler am Rhein (1349 ff.)[1] finden sich nur schwache Anklänge an Zauberwesen oder Dämonismus. Etwas anders dagegen bei der Tänzersekte, die im Jahre 1374 und später namentlich das Aachener Gebiet unsicher machte. Diese hielt in grauenerregender Weise den Glauben an die Wirklichkeit der Dämonenwelt wach. Halbnackt, mit Kränzen um den Kopf, führten die Tänzer auf den Strassen, in den Häusern und selbst in den Kirchen ohne alle Scham ihre Tänze auf, wobei sie unter wüstem Gebrüll unerhörte Teufelsnamen ausriefen, auch wohl gelegentlich der von kirchlicher Seite angewandten Beschwörungsformeln sich für vom Teufel Besessene ausgaben. Wir lesen aber nicht, wenn wir von einigen unwesentlichen Andeutungen absehen, dass man die Tänzer der Zauberei beschuldigt habe. Und doch lag ein solcher Vorwurf nahe genug. Das wilde Gebahren der armen Geisteskranken, die Anrufungen des Teufels, die kirchlicherseits behauptete Schwierigkeit, zwischen Besessensein und Behextsein zu unterscheiden, der Schrecken, welchen die ungezügelten Schaaren verbreiteten, und doch wiederum die bestrickende Anziehungskraft der Geisselungen und Tänze, dies Alles musste eigentlich unsern Vorfahren den Gedanken an teuflisches Zauberwerk, und damit an eine Verfolgung der „Zauberer“ nahe legen. Allein man begnügte sich bei den Tänzern im allgemeinen mit der Annahme, die Unglücklichen seien besessen. Teils mag die der Mehrzahl nach aus Geisteskranken und Betrügern bestehende Schar vorsichtig den Schein schädigender Zauberei vermieden haben, theils aber auch stand die Menge bei uns dem Gedanken an eine aus dem bekannten Teufelsbund sich ergebende Schädigung der Menschen- und Tierwelt ziemlich fremd gegenüber. Zu einer Verfolgung der Geissler und Tänzer als Zauberer lag also ein besonderer Anlass nicht vor.

In der geschichtlichen Litteratur der Rheinlande fehlen, soweit ich es überblicke, wesentliche Andeutungen über den Eindruck, welchen im 14. und 15. Jahrhundert sowohl die meist im Auslande erschienenen Schriften über den Hexenwahn, als auch die Hexenprozesse in auswärtigen Gebieten am Niederrhein gemacht haben. Bei der weltumfassenden einheitlichen Wirksamkeit der katholischen Kirche und der im 13. Jahrhundert entstandenen


  1. Gute Zusammenstellung bei P. Fredericq l. c.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)