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Hin und wieder erschallte auch ein Schmerzensschrei hinter der fest verschlossenen Tür, neben welcher wie auf Vorposten Tragbahren auf Rädern standen, die auf die der Anatomie verfallenden Leichen warteten.

Denn diese verlangte, unersättlich, ewig hungrig, wie eine Hyäne, immer neue Leichen, und das Spital zahlte seinen Tribut mit all den Körpern jener Frauen, die dort nach entsetzlichen Qualen an irgend einer Krankheit starben.

Mit Einbruch der Nacht verstummte dies alles.

Die grauen Schwestern begaben sich nach dem zweiten Stockwerk, um dort ihre Gebete zu murmeln.

Dann zogen sie die groben Gewänder aus und legten sich auf die hohen Schlafbänke, die in langen Reihen an den weißen Wänden standen.

In den sogenannten Fiebersälen aber erschienen auch nachts die barmherzigen Schwestern und näherten sich den am schwersten Kranken, um die welken Hände an Marmorkügelchen zu kühlen, und sie dann auf die glühenden Schläfen der Bewußtlosen zu legen, voller Aufopferung des eigenen Ichs, völlig aufgehend im Dienste der Menschheit.

Diese wahren Engel der Barmherzigkeit neigten sich liebreich selbst über das Schmerzenslager der verworfensten Dirne. Nur war ihre Zahl zu gering, um allen Bedürfnissen zu genügen. Gleichwohl taten sie, was sie konnten und wachten die ganze Nacht. Und dies erst ist das wahre Gebet, solche schlaflose

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/463&oldid=- (Version vom 1.8.2018)