Fast verlor die sonst so besonnene Madi den Kopf.
Drei Häuser nur trennten noch die Polizei von dem Häuschen ihrer Mutter…
Zum Glück gab ein ihr bekannter Polizist unbemerkt einen Wink, um sie vor der nahen Gefahr zu warnen.
Ein Weilchen noch überlegte sie und rang nervös die von den Konfitüren rosig gefärbten Hände.
Dann eilte sie wie der Wind zurück ins Haus, riß die Tür auf und schrie: „Mutter! Revision kommt!“
„Mein Gott!“ rief zitternd die Hebamme.
Dann stürzten sie beide wie rasend in Käthes Stübchen und Madi flüsterte der Mutter zu: „Sie muß fort.“
Ohne etwas zu erwidern, riß Frau Schnaglow die Bettdecke von der Kranken herunter, die zitternd vor Schreck die beiden anstarrte, wie ein tödlich verwundetes Wild die es noch herumzerrende Meute.
„Steh’ auf!“ rief Madi, „die Polizei kommt nach dir! Du mußt fort, sonst nehmen sie dich mit!“
Käthe verstand nur das eine Wort: Polizei. Also wieder wurde sie verfolgt, nicht einmal jetzt in Ruhe gelassen?
Dabei wußte sie nur zu gut, daß diese Weiber sie fortjagen und nicht einen Augenblick länger unter ihrem Dache lassen würden. Und mit der übermenschlichen Willenskraft eines verzweifelten Weibes raffte sie sich aus dem Bette auf.
Die Weiber warfen ihr noch einen zerrissenen Rock und einen von Motten halb zerfressenen Pelz über
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/456&oldid=- (Version vom 1.8.2018)