Wenn sie ausging, putzte sie sich wie eine Puppe und tuschte sich die Brauen.
Das schändliche Gewerbe ihrer Mutter verabscheute sie, obgleich sie oft in aller Ruhe ihren Roman beim Röcheln irgend einer sterbenden jungen Mutter auslas.
Niemand im Hause konnte sie wegen ihrer Hoffahrt und Selbstsucht ausstehen. Fina aber zuckte darüber nur die Achseln und hielt das Haus nur für eine Art von Vorhalle des Palastes, in dem sie, nach ihrer Meinung, ihr Leben hinbringen sollte.
Inzwischen trank sie täglich ihren Wein, stahl den Kranken die Parfüms, wechselte täglich die Farben der Strumpfbänder und las Romane.
Madi, die Jüngere, die den Walzer an jenem Abende pfiff, war der vollständige Gegensatz ihrer Schwester.
Auch sie versprach für die Zukunft eine ungewöhnliche Schönheit zu werden, war aber jetzt noch ein magerer, halbwüchsiger und dabei zerlumpter und barfüßiger Backfisch.
Überaus lebhaft und immer geschäftig, voller Pläne und Einfälle und von der Mutter in alle Geheimnisse eingeweiht, trieb sie sich den ganzen Tag im Hause herum und zirpte wie ein Heimchen.
Mit einer bei einem solchen Kinde seltenen Ausdauer beschäftigte sie sich mit den Kranken, beaufsichtigte sie und schrieb ihnen die Diät vor und sogar manche Arzneien.
Die Mutter vertraute ihr blindlings und rief sie selbst in schwierigen Fällen manchmal zu Hilfe.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/419&oldid=- (Version vom 1.8.2018)