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im Myrtenkranze irgend einem ihr vertrauenden Manne zur Gattin zu geben.

So bargen sich Schande und Unglück gefallener Weiber und alle Gemeinheit treuloser Männer unter dem Dache dieses jetzt im frischen Grün des Frühlings verborgenen Häuschens.

Jenes Weib mit den ruhigen, dunklen Augen und dem glattgekämmten Scheitel verbreitete von dort aus Mord und Verbrechen, schickte nachts geheimnisvolle Pakete unter der Schürze ihrer unmündigen Tochter fort, – tötete junge Leben schon im Mutterschoße! Und dies alles tat sie gegen reichliche Bezahlung, die zukünftig die Mitgift ihrer eigenen Kinder werden sollte.

Diese Mädchen aber waren zwei ganz verschiedene Wesen.

Die Ältere war von ungewöhnlicher, beim ersten Blicke fast blendender Schönheit. Eine üppig gebaute Brünette, hatte sie alle Fehler und Neigungen eines zum Falle geschaffenen Weibes.

Tagelang hockte sie über einem Roman und wühlte mit der weichen Hand im Lockenhaar. Am liebsten ging sie barfuß und liebte vor allem Flieder- und Rosenduft. Meist trank sie die Weinsuppe aus, die für wohlhabendere Kranke bestimmt war, und machte sich auch kein Gewissen daraus, deren gebratene Hühnchen abzuknabbern.

Vorwiegend las sie spanische Novellen, aber auch englische Romane in beliebiger Übersetzung rührten sie auf das Tiefste.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/418&oldid=- (Version vom 1.8.2018)