Seite:Zapolska Käthe.djvu/392

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


gut gegen sie war und nur ab und zu wegen ihrer Dummheit seinen Scherz mit ihr trieb.

Überdies fürchtete sie, sonst ihr freies Nachtlager zu verlieren. Nun hatte sie doch immer ein Dach über dem Haupte, und das war schon viel wert.

Ob Wodniecki freilich imstande war, ihr alles auf einmal auszuzahlen, wer konnte das wissen?

Inzwischen entstand unter der Hand des Künstlers eine prächtige Karyatide, die blütenweiß unter der feuchten grauen Hülle hervorblinkte, mit der sie nachts bedeckt wurde.

Und dies war Käthe in ihrem ganzen vielbewunderten, vollentwickelten Riesenbau, sogar mit denselben, nur etwas zarteren, dabei aber doch scharf ausgeprägten Gesichtszügen. Infolge dieser Ähnlichkeit war auch der Gesichtsausdruck, namentlich um den Mund herum, ein auffallend schmerzlicher. In ihrer Trübsal und Ermattung vermochte Käthe das Herzeleid nicht zu verbergen, welches sich in schmerzlichen Zügen auf ihrem Gesichte ausprägte.

Unwillkürlich hatte der Künstler dies getreu nachgebildet, später aber, als er das Ungewöhnliche darin bemerkte, sich anders besonnen und seine Karyatide mit wehmütigem Lächeln dargestellt.

Mit diesen Spuren des Leids auf dem schönen Antlitze sollte sie Jahrhunderte überdauern und mit den Steinaugen herab auf die ganze Schar von Männern blicken, die wie ein Rudel gieriger Wölfe auf ihren Körper losstürzten, um ihn auf jede Weise auszubeuten.

Empfohlene Zitierweise:
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/392&oldid=- (Version vom 1.8.2018)