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Hungrig und zerlumpt schleppte sie sich nach der Stadt, um nach Arbeit zu suchen, zu der sie mit Freuden den Rest ihrer Kräfte hingegeben hätte für ein Stückchen trockenes Brot.


Rings lächelte ein wonniger Frühlingstag. Hier und da lag noch etwas Schnee. Vom Himmel aber strahlte hinter zartem, durchsichtigen Nebelschleier die goldene Sonne.

In allen Häusern wurden die während des Winters sorgfältig geschlossenen Fenster geöffnet, um Lenzluft und Licht einzulassen in die dumpfen, dunklen Wohnungen.

Wie Argusaugen spähten sie hinaus auf die Straße.

Die Damen lustwandelten in Lackstiefelchen und mit bemalten Wangen unter dem dichten Schleier, während die Herren, obgleich vor Frost klappernd, im leichten Sommeranzuge, mit Siegermienen einherstolzierten.

Die Schaufenster ergossen ganze Ströme heller Farben in den Falten der leichten Stoffe und Sonnenschirme.

So erschien dieser ganze Frühlingsvormittag wie das Vorspiel zu der harmonischen Melodie, die demnächst erschallen sollte, um kaum den Mai zu überdauern.

Fast gedankenlos schleppte Käthe sich durch die Straßen und preßte die Falten der zerrissenen Jacke an die Brust.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/371&oldid=- (Version vom 1.8.2018)