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ein schmerzliches Stöhnen, zumal wenn Rosas Bild ihr vor Augen trat. Diese Abgeschiedenheit von der Welt aber bereitete ihr etwas Linderung.

Auf der Straße herrschte das rege Leben eines Sonntagnachmittags.

Schon dunkelte es sogar und eine doppelte Menschenwoge flutete nach der Richtung des Stadttheaters. Die einen kamen aus der Nachmittagsvorstellung, die anderen gingen zur abendlichen. Manche lachten noch laut über die lustige Operette oder trällerten deren flotte Walzermelodien.

Käthe stand ein Weilchen mitten auf der Straße, als wisse sie nicht, nach welcher Richtung sie gehen solle.

Obgleich sie von Wangen und Schläfen die Blutspuren sich abgewaschen, sah sie doch noch braun und blau aus und ihre zerfetzte Kleidung stach seltsam vom Sonntagsstaate der vorüberziehenden Menge ab.

Dieser oder jener sah sie verwundert oder lachend oder unwillig an, sodaß sie fühlte, sie müsse den Leuten aus dem Wege gehen. Wohin aber sollte sie sich wenden?…

Die Polizei hatte nur ihre Pflicht getan, indem sie die Ruhestörerin mitgenommen und eingesperrt hatte bei Wasser und Brot. Dann aber hatte man sie auf die Straße gestoßen und ihr zum Abschiede noch einen gehörigen Puff gegeben und, um sie zur Besserung zu ermuntern, ihr nachgerufen: „Du Landstreicherin!“

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/351&oldid=- (Version vom 1.8.2018)