Mann, wie er, sich nicht sein Leben lang mit einem Weibe begnügen könne.
Dabei liebte gewiß auch sie die Veränderung. Wenigstens sah sie ganz danach aus. Zwar erschien sie ihm bleich und elend, fast häßlich. Er aber war von jeher ein Liebhaber von Gegensätzen, und nach der kerngesunden Käthe kam ihm die halbverblühte Rosa ganz erwünscht. Das war sein gewohntes System bei der Auswahl seiner Geliebten.
Und seltsam aufgeregt, näherte er sich Rosa, die mit einem Lächeln auf den zusammengepreßten Lippen ihn durchaus nicht von sich wies.
Vielmehr blickte sie ihn freundlich an, da auch sie die Gegensätze liebte und den Eindruck des unscheinbaren Felix durch die Annäherung des strammen Portiers zu verwischen wünschte. So fühlten diese beiden Naturen ihre Verwandtschaft bald heraus und näherten sich einander um so leichter auf dem engen Bodenraume.
Durch die Ritzen in der Bretterwand des Verschlages warfen ab und zu matte Lichtstrahlen auf den Strohsack und die dort umherliegenden Gegenstände hellere Linien, die sich von der ringsumher herrschenden Dämmerung deutlich abhoben und nur Johanns Gesicht erhellten, während Rosas ganze Gestalt im Schatten blieb.
Obgleich sie ihn jetzt unverwandt ansah, fühlte er nur ihre Nähe und in seiner sinnlichen Erregung auch die Eindrücke, die ihm bei ihr als Vermittler dienen könnten.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/318&oldid=- (Version vom 1.8.2018)