anatomische Genauigkeit etwas sündigten, die aber lebensvolle, wenn auch nur dem Kennerblicke verständliche Züge trugen.
Diese Skizzen unterbrachen allerlei Medaillons von Gyps oder Terrakotta in unregelmäßigen Gruppen, je nach der Zeit ihrer Entstehung oder der Laune des Augenblickes.
Auf den Medaillons sah man die Profile verschiedener Leute, unförmliche Köpfe mit trotzigen Stirnen und glatten Schädeln oder klassisch-reine Züge mit lächelndem Blick oder bedeutungsvoll gefurchter Stirn.
Auch Basreliefs gab es dort auf kleinen viereckigen oder länglichen Tafeln mit schlanken nackten Frauengestalten, die zum Tamburin tanzten oder in leicht gekräuselter Flut badeten.
Lange stand Käthe mitten im Atelier und kam gar nicht heraus aus dem Staunen.
Die Riesengestalten zweier Apostel erregten ihr Befremden, die Nacktheit eines Samsons ihr Schamgefühl und beim Anblick einer nur von einem durchsichtigen Fischernetz bedeckten Nixe wurde sie feuerrot.
Trotz ihres Falles bewahrte sie sich die Schamhaftigkeit eines Kindes. Und diese verletzte das nackte Weib im Fischernetze über alle Maßen.
Weshalb entblößte es sich so? War es so arm, daß es nicht einmal ein Hemd besaß? Ein solches hat aber doch jeder, selbst der ärmste Bettler auf der Welt.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/310&oldid=- (Version vom 1.8.2018)