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Da aber im Hausflur weder ein Pförtner, noch sonst ein Wächter stand, raffte sie ihren durchnäßten Rock auf und betrat schüchtern die schön getäfelten Fliesen des Hausflurs.

Dann wandte sie sich langsam zur Treppe, deren steinerne Stufen so grau und düster, fast farblos, aussahen, wie draußen der Winterhimmel, und stieg hinan.

Nach allen Seiten erstreckten sich geradlinige Gänge, in der Mitte belegt mit schmalen Fußdecken. Auf dem Höhepunkte der Treppe aber bildeten diese Gänge ein wahres Labyrinth.

Hell beleuchtete dort eine Glaskugel den mit schwarzen und weißen Fliesen getäfelten Raum bis in die rings ausstrahlenden Gänge, die, allmählich alles Licht verschlingend, in tiefem Schatten lagen.

Auch alles übrige war so trüb und düster schweigend, als atme es nichts als Spitalluft und Friedhofsruhe.

Ungewiß, wohin sie ihre Schritte lenken solle, blieb Käthe stehen.

Aus den hohen dunkelgestrichenen Türen drang kein Laut, keine menschliche Stimme. Wie die Pforten zu geheimnisvollen Grüften erschienen sie, als ob sie Leichen in sich bargen, gehüllt in Leinwand mit Hieroglyphenschrift.

Keine Türklinke wagte Käthe zu berühren. Denn sie alle blinkten im matten Lichte wie Dolch- oder Speerspitzen der hinter den Türen verborgenen Wächter.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/303&oldid=- (Version vom 1.8.2018)