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Daher wanderte das Tuch zum Althändler für einen lumpigen Gulden. Und dieser reichte kaum hin zu zwei Mahlzeiten, nach denen Johann sich behaglich den Magen streichelte.

Mit Freudentränen im Auge bemerkte sie seine Befriedigung, ohne an die traurigen Folgen ihrer Gastfreundschaft zu denken.

Auch jetzt, obgleich sie zitternd vor Kälte die erfrorenen Hände unter dem abgetragenen Tuche barg, bereute sie nicht den Verlust der wärmeren Hülle. Dies mußte doch sein, sonst hätte sie Johann nichts auf den Teller legen können! Überdies war sie an Pelzwerk und Wattierung gar nicht gewöhnt.

Gar oft war sie barfuß in die Fabrik gelaufen, im Perkaljäckchen, ohne die Kälte zu spüren.

Nur fühlte sie seit einigen Wochen sich etwas unpäßlich, matt und abgespannt.

Wahrscheinlich, weil sie nur wenig essen konnte und schon der Geruch von Speisen ihr zuwider war. Ihre Hauptnahrung bestand in mit Essig getränktem Brot. Fleisch mochte sie gar nicht sehen. Daher konnte sie nicht begreifen, was mit ihr vorging.

Früher war sie beständig hungrig. Heut schnürte ihr schon der Gedanke an Essen fast die Kehle zu und das Wasser lief ihr aus dem Munde. Alle Glieder waren ihr so schwer, als wären sie von Blei. Tagelang könnte sie schlafen und keine Arbeit mehr ging ihr von der Hand.

Nur mit Mühe konnte sie noch Wasser holen, und scheuern fast nur mit Tränen in den Augen.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/283&oldid=- (Version vom 1.8.2018)