waren nur krampfhafte Zuckungen, die sie nicht mehr zu retten vermochten. Die angeborene Ehrbarkeit in ihr wurde vom Leben und dessen elenden Zuständen erstickt. Die edlere Seite ihres Wesens war zu wenig entwickelt, um ihr einen genügend starken Schutz und Schild zu bieten gegen die Versuchungen, die sie rings umgaben…
Auch in ihr war das – Tier unter Johanns Einfluß erwacht…
Sein Verdacht bereitete ihr großen Kummer. Woher entstand er? Weshalb warf er ihr immer wieder jenen anderen vor, von dem sie selbst nichts wußte? Vor einigen Tagen erwähnte er sogar, dies sei irgend ein „Zylinder“. Ach! Daß solch ein „Zylinder“ für sie nichts sei, das wußte sie nur zu gut und nimmermehr hätte sie sich mit solchem eingelassen!
Und dennoch ließ Johann sich dies nicht ausreden und grollte ihr und sagte ihr gestern nicht einmal „Gute Nacht!“
Vielleicht läßt er sich heut ein wenig beschwichtigen. Die Herrin beabsichtigt abends wieder ihre Spazierfahrt; dann kann die Magd etwas länger vor der Tür stehen und sich gründlich aussprechen mit Johann…
Leider aber sollte ihr dieser Plan nicht gelingen.
Als Käthe den Samowar zurechtmachte, stürzte ein Bote außer Atem in die Küche mit einer kaum leserlich beschriebenen Karte. Dieselbe sollte sofort der Herrin übergeben werden mit dem Hinzufügen, die Mutter liege im Sterben.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/262&oldid=- (Version vom 1.8.2018)