Längst wußte die ganze Dienerschaft im Hause von Johanns Besuchen bei Käthe und verfolgte gespannt den weiteren Verlauf dieses „Verhältnisses“.
Die Köchin der Frau Gräfin, die eben aus der Andacht zurückkehrte, meinte, sie habe noch niemals unter solchem Dache geschlafen. So etwas könnte nur in Sodom und Gomorrha vorkommen, wie sie erst gestern aus dem Munde der Frau Gräfin selbst gehört. Die Zofe, die bedeutend jünger war, drückte nur ihr Bedauern aus, daß Johann, dieser stattliche Mann, sich mit solch einem Frauenzimmer abgebe. Die Tapeziererfrau und die anderen Weiber und Mägde im Hause stellten das Liebespaar förmlich unter Polizeiaufsicht.
So oft Johann die Treppe hinaufstieg, geriet das ganze Haus in Aufregung.
„Wie? Acht Uhr erst ist es jetzt, genieren sie sich schon gar nicht mehr? Nächstens sitzt er schon am hellen Tage oben bei ihr… Am besten wär’ es, wenn der Hauswirt Johanns Stübchen anderweitig vermietete… Die Käthe nimmt ihn in ihrer Küche auf, samt seinen Siebensachen.“
Und so wuchs der allgemeine Haß gegen sie, je mehr Johann ihr seine Neigung zeigte.
Auch Budowskis blieben dabei nicht verschont: „Das muß eine nette Herrschaft sein, die solche Wirtschaft bei sich duldet. Übrigens wissen wir ja alle, was das für Leute sind. Wie der Herr, so das Geschirr!“
Nur Mary bewahrte sich eine seltsame Mäßigung.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)